Category Archives: Region

RomnoKher-Studie 2021: Ungleiche Teilhabe – Zur Lage der Sinti und Roma in Deutschland

Zehn Jahre nach der ersten RomnoKher-Studie legt die RomnoKher gGmbH mit Unterstützung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) eine neue Studie zur aktuellen Lage der Sinti und Roma in Deutschland vor. Der VDSR-BW ist alleiniger Gesellschafter der RomnoKher gGmbH. Eine bundesweite Arbeitsgemeinschaft von RomnoKher hat dafür 61 Interviewerinnen und Interviewer aus der Minderheit einbezogen und ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Hochschulen und aus der Praxis aufgebaut, von denen etwa die Hälfte selbst der Minderheit angehören. Von über 700 durchgeführten internetgestützten Befragungen zwischen September und Dezember 2020 wurden nach sorgfältiger Prüfung 614 Interviews mit einheimischen und zugewanderten Roma und Sinti aus allen Bundesländern ausgewertet. Die Befragten wurden mit Hilfe einer Kombination aus Zufalls- und Schneeballprinzip aus etwa 3500 Personen ausgewählt, um die Signifikanz der Daten zu erhöhen. Die Interviewer aus dem gesamten Bundesgebiet waren dafür wegen der Pandemie größtenteils telefonisch oder online im Einsatz. Dabei wurden bis zu 100 Fragen aus den Bereichen Familiensituation, Bildungssituation, Diskriminierungserfahrungen, Beschäftigung, Wohnsituation, Traumatisierung und Einschätzungen zur gesellschaftlichen Entwicklung und zu Handlungsbedarfen gestellt. Eine Aufzeichnung der Vorstellung der Studie finden Sie auf unserem Youtube-Kanal RomnoKher und hier:

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Taskforce Schrottimmobilien: Stadt Duisburg lässt drei Häuser in Hochfeld räumen

Rund 60 Bewohner der Gebäude an der Gravelottestraße in Duisburg-Hochfeld mussten am Donnerstag ihre Wohnungen räumen. Die drei Häuser wiesen erhebliche Brandschutzmängel auf.

Einsatzkräfte des Ordnungsamtes, der Polizei, der Feuerwehr sowie der Stadtwerke haben am Donnerstag drei Häuser an der Gravelottestraße geräumt und die Immobilien für unbewohnbar erklärt. Rund 60 Bewohner, meist osteuropäischer Herkunft, aber auch einige Deutsche, wurde eine Frist bis 15 Uhr gesetzt: Dann mussten sie die Häuser verlassen. Die Brandschutzmängel in den Gebäuden mit hölzernen Treppenhäuser sollen so gravierend sein, dass weiteres Wohnen dort ausgeschlossen ist.

Den Familien wurde von der Stadt angeboten, zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft unterzukommen. Eigentümerin der Häuser soll nach RP-Informationen eine Frau aus Hannover sein. Die betroffenen Häuser auf der Gravelottestraße werden nun erst einmal dicht gemacht. Bei den Bewohnern herrschte am Donnerstag große Aufregung, weil sie nur wenig Zeit hatten, Hab und Gut zusammenzusuchen, um dann die Wohnung zu verlassen.

Die städtische Taskforce Problemimmobilien befasst sich behördenübergreifend nicht nur mit der Identifizierung und Schließung von Schrotthäusern, sondern kontrolliert auch im Bereich Meldewesen und kooperiert auch mit der Steuerfahndung, dem Hauptzollamt und der Familienkasse.

Die Taskforce gibt es bereits seit 2017 und wurde damals unter anderem von der damaligen Ordnungsdezernentin Daniela Lesmeister ins Leben gerufen. Ursprünglich hatten rund 120 Immobilien im Stadtgebiet auf der Liste möglicher Schrotthäuser gestanden, inzwischen wurde bereits eine Vielzahl von ihnen in Augenschein genommen. Meist handelt es sich dabei um Altbauten in Marxloh, Hochfeld, aber auch in anderen Stadtteilen wie Rheinhausen. Wird die Immobilie geschlossen, kann der Eigentümer entsprechende Konzept vorlegen, mit denen zum Beispiel der Brandschutz wiederhergestellt werden kann. Ansonsten bleibt in vielen Fällen nur noch der Abriss.

Quelle: RP Online

Stand: 09.03.2021

Antiziganismus im Fernsehen. Analyse von Katharina Peters in der DISS Online-Bibliothek

Die WDR-Talkshow „Die letzte Instanz“ vereinte in geballter Form, was im deutschen Fernsehen schief läuft, wenn es um „kontroverse“ Themen wie Diskriminierung, Migration, Gleichberechtigung geht. Den geladenen Gästen fehlt es an Expertise, die immer-gleichen (rechts-)konservativen Positionen werden wiedergekäut und die lautesten gewinnen die meiste Redezeit. Komplexe Inhalte werden darauf runtergebrochen, „was man ja wohl noch sagen darf“ – und überhaupt, „die sollen sich nicht so anstellen“, die von Rassismus Betroffenen. „Und wer sagt denn, dass die das als Problem empfinden?“ Schließlich „kennt man einen, der einen kennt, der das überhaupt nicht schlimm findet, wenn man ihn mit der rassistischen Fremdbezeichnung anspricht“…

Die Sendung des WDR steht zu Recht unter scharfer Kritik. Allerdings ist sie nur die kondensierte Form dessen, was in deutschen Debatten-Shows gang und gebe ist. Wir nehmen die Diskussion um „Die letzte Instanz“ zum Anlass, die generellen Defizite des Formats Talkshow und das mangelnde Diversitätsbewusstsein vieler Redaktionen in den Fokus zu rücken.

In unserem Sammelband NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus erschien der Beitrag von Katharina Peters „Sind wir zu intolerant?“ Die mediale Inszenierung von ‚Sinti und Roma‘ in Polit-Talkshows des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Aus aktuellem Anlass stellen wir diesen Text in der DISS Online-Bibliothek kostenlos zur Verfügung. (Hier abrufbar)

Bitte erwerben Sie dieses Buch über den Buchhandel oder direkt beim Verlag Situationspresse bestellungen@buchhandlung-weltbuehne.de
NICHTS GELERNT?!
Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus
Katharina Peters / Stefan Vennmann (Hg.)
Situationspresse (Duisburg) 2019
ISBN 978-3-935673-46-4
211 Seiten, 18 Euro

Ungarns Höchstgericht bestätigt Entschädigung ausgegrenzter Roma-Schüler

Die Entschädigung in Höhe von fast 300.000 Euro für 62 Schüler ist eine große Niederlage für die rechtskonservative Orbán-Regierung

Budapest – Roma-Schülern aus dem ungarischen Ort Gyöngyöspata steht eine finanzielle Entschädigung wegen Ausgrenzung zu. Ungarns Oberster Gerichtshof (Kurie) hat am Dienstag das Urteil des Berufungsgerichtes Debrecen vom September 2019 bestätigt. Damit erhalten 62 Schüler der Roma-Volksgruppe des Ortes insgesamt rund 100 Millionen Forint (285.844,96 Euro) Entschädigung.

Zur Ausgrenzung der Roma-Schüler gehörte, dass sie nach Ethnie getrennt in isolierten Sonderklassen untergebracht wurden, die Klassenräume der anderen Schüler nicht betreten und nicht an Klassenausflügen und Schwimmunterricht teilnehmen durften.

Niederlage für Orbán

Im Sinne des Urteils müssen die Gemeinde Gyöngyöspata und die Schulbehörde die Entschädigung zahlen. Die rechtsnationale Regierung von Premier Viktor Orban hatte sich geweigert, das Urteil von Debrecen umzusetzen und erklärt, niemand solle Geld bekommen, der nicht dafür gearbeitet hat. „Würde ich in Gyöngyöspata leben, würde ich mich schon fragen, warum die Mitglieder einer ethnischen Minderheit ohne jegliche Arbeitsleistung eine große Summe erhalten, während ich mich hier den ganzen Tag abrackere.“ Diese Äußerung hatte für Entrüstung unter den ungarischen Roma geführt, die mit rund 800.000 Angehörigen die größte ethnische Minderheit des Landes stellen.

Anstelle von Bargeldzahlungen sollten nach Antrag der Gemeinde und Schulbehörde den betroffenen Schülern nachträgliche Bildungsangebote und Kurse angeboten werden. Falls das nicht möglich sei, ersuchten die Angeklagten um Verringerung der Entschädigungssumme. Das Höchstgericht lehnte diesen Antrag ab, da die Summe bereits durch das Debrecener Gericht in zweiter Instanz korrekt festgelegt worden war. (APA, 12.5.2020)

Quelle: Der Standard

Stand: 09.03.2021

Antiziganismus, Sprachpolitik und deutscher Geist

von Benjamin Horvath

Mit „Die Beste Instanz“ rief Enissa Amani in kürzester Zeit ein Panel zusammen, um auf die unerträgliche WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ zu reagieren. Diese Reaktion war absolut notwendig, wies aber gewisse Schwächen auf.

Dass allzu viele Sendungen im deutschen Fernsehen nicht anzuschauen sind, sollte kritische Geister wenig verwundern. Die WDR-Sendung „Die letzte Instanz“ vom 29. Januar 2021 konnte daraus sogar noch hervorstechen. Mit einer Talkrunde aus Personen, die weder in ihren jeweiligen Feldern noch zu gesellschaftlichen Fragen Qualität oder Expertise zeigen.

Der große Aufreger über die Sendung lag größtenteils am Beharren auf der Verwendung rassistischer Begriffe durch vier weiße Deutsche, die sich darüber beschwerten, dass heutzutage nichts mehr gesagt werden dürfe. Das Gros der Runde sprach Menschen ab, sich von diskriminierenden Begriffen verletzt zu fühlen. Kurz stach hier Micky Beisenherz als eine verhältnismäßige – jedoch nicht zu überschätzende – Stimme der Vernunft mit der Aussage heraus, man solle Worte eben ändern, wenn sich viele Leute durch diese verletzt fühlen. Er wandte jedoch passiv-aggressiv ein, ihm sei der Aufwand sich dagegen zu wehren zu groß – wohl weil er die Meinungsdiktatur schon im Nacken spürt.

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MONITOR studioM im WDR Fernsehen zum Thema Rassismus gegen Sinti und Roma

Aus aktuellem Anlass diskutiert Georg Restle in der neuen Ausgabe MONITOR studioM mit Betroffenen und einem Experten über Rassismus gegen Sinti und Roma in unserer Gesellschaft und in den Medien.

Nach der Kritik an „Die letzte Instanz“ hatte der WDR bereits für März einen Themenschwerpunkt im WDR Fernsehen zum Thema Rassismus angekündigt. Das YouTube-Format MONITOR studioM beschäftigt sich schon jetzt mit der Frage, woher die Klischees über Sinti und Roma kommen und warum so getan wird, als seien sie Fremde von irgendwoher. Die Gesprächsrunde ist bereits online und am Mittwoch, 17.2.2021 um 23 Uhr auch im WDR Fernsehen zu sehen.

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Sinti*ze und Rom*nja: Engagement in Deutschland

STÄRKUNG DER BILDUNGSTEILHABE UND DER SELBSTORGANISATIONEN VON SINTI*ZE UND ROM*NJA IN DEUTSCHLAND – EINE GEMEINSAME INITIATIVE DER FREUDENBERG STIFTUNG UND DER STIFTUNG EVZ

Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) und die Freudenberg Stiftung stärken Rom*nja und Sinti*ze und setzen sich für ihre Rechte ein. Rom*nja und Sinti*ze waren Opfer von NS-Unrecht und nationalsozialistischer Verfolgung. Ausgrenzungen und Diskriminierungen wirken bis in die Gegenwart hinein.
Spezifische Angebote für eine gleichberechtigte Bildungsteilhabe sind in Zeiten der Corona-Pandemie umso dringlicher. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat die Europäische Kommission Ende 2020 einen neuen Europäischen Rahmen für Gleichbehandlung und Inklusion von Sinti*ze und Rom*nja vorgelegt. Die Projektförderung möchte dazu beitragen, im Rahmen dieses europäischen Vorgehens einen Beitrag für die gleichberechtigte Teilhabe von Rom*nja und Sinti*ze zu leisten.
Wir fördern Projekte von Sinti*ze- und Rom*nja-Organisationen in Deutschland für eine gleichberechtigte Bildungs- und damit für gesellschaftliche Teilhabe von Sinti*ze und Rom*nja.

Wir suchen Projektideen, die:

  • auf eine Verbesserung der Bildungssituation von Sinti*ze und Rom*nja zielen und
  • einen Beitrag zur Stärkung der Selbstorganisationen von Rom*nja und Sinti*ze leisten.

Wir begrüßen besonders Initiativen von Romnja* und Sintize* für Mädchen und Frauen.

Zwei Wege der Förderung:

  1. Laufzeit 2 Jahre > maximale Fördersumme 50.000 Euro
    Sie haben eine Idee für ein Projekt, das bis zu zwei Jahre laufen wird und maximal 50.000 Euro Förderung benötigt, dann nutzen Sie bitte dieses Formular.
  2. Laufzeit 6 Monate > maximale Förderung 6.000 Euro
    Ihre Organisation wurde bisher gar nicht oder nur im geringen Umfang gefördert und Sie haben eine Idee für ein kleineres Projekt, das bis zu sechs Monate laufen wird und maximal 6.000 Euro Förderung benötigt, dann nutzen Sie bitte dieses Formular.

Projekte können frühestens am 1. Juli 2021 beginnen.
Senden Sie uns Ihre Projektidee per Mail an bildungsteilhabe(at)stiftung-evz.de bis zum 15. März 2021 zu. Wir melden uns mit den Förderentscheidungen im Mai 2021.

Stand: 17.02.2021

Quelle: Stiftung EVZ

Antiziganismus, Gadje-Rassismus oder schlicht Rassismus?

Die Diskussion um die Benennung der Diskriminierung und Ausgrenzung von Sinti und Roma

von: Britta Veltzke, Journalistin

Sintize, Sinti, Romnja und Roma werden ausgegrenzt und diskriminiert – doch wie sollte diese Form von Rassismus angemessen benannt werden? Die Debatte um den Begriff Antiziganismus.

Elfjähriges Kind in Handschellen

Vorwürfe gegen die Polizei im baden-württembergischen Singen: Ein Beamter soll einen Sinto diffamiert und ohne die Eltern auf die Wache abgeführt haben – womöglich wegen der Herkunft des Jungen.

Der Landesverband der Sinti und Roma Baden-Württemberg erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Es geht um einen Vorfall am vergangenen Samstag. Zwei Polizisten sollen am Nachmittag in der Stadt Singen nahe Konstanz einen Sinto vor dessen Wohnhaus kontrolliert haben. Die Beamten sollen ihn nach seinen Personalien befragt und durchsucht haben. Als sie in seiner Tasche ein kleines Messer entdeckten – was gesetzlich erlaubt ist -, sollen sie ihn mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt, festgenommen und für eine knappe Stunde mit auf die Polizeiwache genommen haben, wobei ihm jeder telefonische Kontakt zu seiner Familie verweigert worden sei. Das Besondere an diesem Fall: Der Festgenommene, Tiziano L., ist elf Jahre alt.

„Ein Kind festzunehmen, ist eindeutig rechtswidrig“, sagte Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbands der Sinti und Roma, der Süddeutschen Zeitung. Er weist auf besondere Umstände hin, die offenbar mit der Herkunft des in Deutschland geborenen und einen deutschen Pass besitzenden Kindes zu tun hätten. So soll einer der beiden Polizisten den Elfjährigen in gebrochenem Romanes angesprochen haben, der Sprache, die von Sinti und Roma gesprochen wird. Auch soll der Beamte gegenüber dem Jungen gesagt haben, er kenne dessen „Zigeuner“-Familie genau. In der Diskussion mit dem Jungen habe der Beamte dann gedroht, Tiziano L. müsse die ganze Nacht auf der Wache verbringen. Ihn werde der „Mulo“ holen. Mulo ist Romanes und bedeutet grob übersetzt Tod.

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