Unerwünschte Zuwanderung – Brandschutz als vertreibender Mieterschutz für Rumänen in Duisburg

In Duisburg werden Wohngebäude von Rumänen und Bulgaren brandschutztechnisch überprüft. Finden sich Mängel, haben die Bewohner fünf Stunden, um ihre Sachen zu packen und sich für eine neue Bleibe zu kümmern. Tausende haben bereits ihre Wohnungen verloren. Diese Praxis wirft Fragen auf: Geht es wirklich um Brandschutz?

Anfang Mai war es wieder soweit, in Duisburg sollte ein Mehrfamilienhaus geräumt werden. Das Jobcenter informierte Betroffene vorab, um die Leistungen einzustellen und nahm das Ergebnis der brandschutztechnischen Überprüfung vorweg.

Worum geht es?

In der ersten Maiwoche 2022 stand im Duisburger Stadtteil Hochfeld eine bau- und brandschutztechnische Überprüfung eines Mehrfamilienhauses an. Diese führt in den meisten Fällen zu einer vollständigen Nutzungsuntersagung, d.h. zu einer sofortigen Zwangsräumung der weitgehend migrantischen Bewohnerschaft durch die Stadtverwaltung. Das örtliche Jobcenter hatte bereits über zwei Wochen davor Sozialleistungsberechtigte mit amtlichem Bescheid darüber informiert, dass zum 4. Mai 2022 die Leistungseinstellung erfolgt, da der Wohnungsverlust ansteht. Damit wurde das Ergebnis der brandschutztechnischen Überprüfung vorweggenommen.

Bei einer bau- und brandschutztechnischen Überprüfung eines Wohnhauses geht es darum, Gefahr für Leib und Leben der Bewohnenden abzuwenden. Es handelt sich dem Grunde nach um ein umsichtiges und verantwortungsvolles, ja rechtlich gebotenes Handeln der zuständigen Behörde, um Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auszuschließen. Die Überprüfungen können zu dem Ergebnis führen, das eine unmittelbare und unabwendbare Gefahr besteht, die ein sofortiges Handeln erfordern. Als Ultima Ratio steht die direkt Nutzungsuntersagung, die zum unmittelbaren Wohnungsverlust führt.

„2016 bis 2021 wurden durch die zuständige Behörde ca. 77 Wohngebäude überprüft, wovon 66 unmittelbar geräumt werden mussten. D.h. ca. 3.000 Menschen haben in den zurückliegenden fünf Jahren in Duisburg die Wohnung aufgrund des mangelhaften bau- und brandschutztechnischen Zustandes ihrer Wohnhäuser verloren.“

Die Duisburger Dimension des Themas verdeutlicht die Bilanz für die Jahre 2016 bis 2021. Danach wurden durch die zuständige Behörde ca. 77 Wohngebäude überprüft, wovon 66 unmittelbar geräumt werden mussten. D.h. ca. 3.000 Menschen haben in den zurückliegenden fünf Jahren in Duisburg die Wohnung aufgrund des mangelhaften bau- und brandschutztechnischen Zustandes ihrer Wohnhäuser verloren. Die Zahlen lassen erahnen, vor welchen Aufgaben die örtlichen Sozial-, Jugend- und Wohnungsbehörden stehen müssen. Ganz zu schweigen von dem Ordnungsamt als unterster Polizeibehörde, die bei fehlendem Ersatzwohnraum die Menschen ordnungsrechtlich unterbringen muss.

Worum könnte es noch gehen?

Die ordnungsrechtliche Unterbringungsverpflichtung gilt auch gegenüber EU-Zugewanderten. Damit rückt die notwendige Perspektive auf die spezifische Duisburger Problemlage in den Fokus. In der Stadt waren laut Ausländerzentralregister zum Jahresende 2021 23.260 aus Bulgarien und Rumänien stammende Personen gemeldet (14.035 BG/9.225 RO), womit sie ca. 4,7 Prozent der Stadtbevölkerung stellen. Wobei sich die Gesamtgruppe sehr heterogen zusammensetzt und insbesondere durch eine große Zahl an Familien geprägt ist. Viele gehören der Roma-Minderheit an.

Im Unterschied zu Städten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln oder München ist in Duisburg trotz der dokumentierten Armutslagen keine auffällige Obdachlosigkeit aus diesen beiden Zuwanderungsgruppen zu verzeichnen. Folgerichtig ist die andernorts drängende Frage der ordnungsrechtlichen Unterbringung von EU-Zugewanderten in Duisburg nicht Gegenstand der öffentlichen Debatte. Vielmehr ist die hohe Zahl einfach ausgestatteter und sanierungswürdiger Wohnungen ein wesentlicher Grund für die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien in die Stadt. Diese strukturelle Voraussetzung wird in der städtischen Politik und Verwaltung seit inzwischen zehn Jahren als ein zu minimierendes Risiko und nicht als langfristige Gestaltungschance und -aufgabe gesehen.

Unerwünschte Zuwanderung

Duisburg hat sich als einer der wichtigen Zuwanderungsorte für Menschen aus Bulgarien und Rumänien etabliert. Die Stadt ist ein Verkehrsknotenpunkt von überregionaler Bedeutung, auch durch die Nähe zu Belgien und den Niederlanden. Entsprechend weit erstreckt sich der von Duisburg aus erreichbare Arbeitsmarkt, der u.a. Tätigkeiten in der Verpackungs- und Logistikbranche, der Fleischindustrie, dem Bau- sowie dem Reinigungsgewerbe auch in den Nachbarländern bietet. Die niedrigen Mieten und informelle Wohnangebote in der Stadt machen ein tägliches Pendeln über die Ruhrgebietsgrenzen auch für Beschäftigte im Niedriglohnsektor möglich.

Gleichzeitig bietet der Duisburger Arbeitsmarkt fließende Übergänge vom Bereich nicht-dokumentierter Arbeit hin zu legaler Beschäftigung, allerdings oft unter prekären Bedingungen, wozu auch die Doppelfunktion von Arbeit- und Wohnungsgeber zählt. Die Lebenssituation vieler Zugewanderter aus Bulgarien und Rumänien in Duisburg zeigt im Brennglas die Konsequenzen ungehinderter Marktlogik für ressourcenarme Menschen.

„Der Duisburger Oberbürgermeister erläutert im August 2021 seine Sicht darauf: ‚Ich bleibe bei meinem Standpunkt: Ein Großteil der etwa 9.000 rumänischen und 14.000 bulgarischen Staatsangehörigen in Duisburg hält sich hier illegal auf.’“

Der Duisburger Oberbürgermeister erläutert im August 2021 seine Sicht darauf: „Ich bleibe bei meinem Standpunkt: Ein Großteil der etwa 9.000 rumänischen und 14.000 bulgarischen Staatsangehörigen in Duisburg hält sich hier illegal auf. Sie erfüllen einfach nicht die Voraussetzungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Vielen fehlen die grundlegenden Skills, Sprachkenntnisse, Schulabschluss oder eine Berufsausbildung. Es ist bekannt, dass Schlepper die Notlage vieler Menschen in den Herkunftsländern ausnutzen und die Menschen mit Scheinarbeitsverträgen ausstatten, um so Aufstockungsleistungen zu erhalten. Nur wenige können mit ihrer Arbeit ihre Familien ernähren.“

Die Verhältnisse auf dem Duisburger Arbeits- und Wohnungsmarkt zeigen sich mitunter konfliktreich in einzelnen Stadtteilen. Überbelegung und damit einhergehend Ruhestörung sowie unsachgemäße Müllentsorgung gelten auch als wichtige Indizien für die Einordnung von Wohnhäusern als Schrott- oder Problemimmobilien. Die bestehenden Problemlagen werden ethnokulturell überzeichnet und ein sozial unerwünschtes Verhalten gilt als Roma-spezifisch.

„Taskforce Problemimmobilien“

Die Landesregierung NRW reagierte im Jahr 2014 auf die Wohnungsnotstände, die sich im Zuge der EU-Zuwanderung in den Ruhrgebietsstädten zeigten, mit einem Wohnaufsichtsgesetz. Zu dessen lokaler Durchsetzung bildete die Duisburger Stadtverwaltung unter Führung des Ordnungsamtes eine „Taskforce Problemimmobilien“ mit breiter Zusammensetzung – über TÜV, Feuerwehr, Wohnungsaufsicht, Sozialamt, Finanzamt, die kommunalen Ver- und Entsorgungsbetriebe bis hin zum Gesundheits- und Jugendamt. Sie setzte ein Wohngebäudemonitoring um und führte monatlich Hausbegehungen insbesondere in den Stadtteilen Hochfeld und Marxloh durch. Bis zum Herbst 2016 kam es auf dieser Grundlage zu insgesamt drei Schließungen von Wohngebäuden, da Gefahr für die Bewohnerschaft und die öffentliche Ordnung festgestellt wurde. Nach Möglichkeit wurde den Bewohnenden von städtischer Seite Ersatzwohnraum angeboten.

Hausräumungen bei „Problemimmobilien

Zum Herbst 2016 erfolgte unter der damals frisch berufenen Ordnungs- und Rechtsdezernentin eine Neuausrichtung der „Taskforce Problemimmobilien“. Diese wurde in ihrer Arbeitsweise nach dem Wohnaufsichtsgesetz als ineffektiv eingeschätzt. Hauptansatzpunkt wurde nunmehr der Brandschutz als Instrument des Sonderordnungsrechts. Auf dieser Grundlage sind seither u.a. in den Stadtteilen Beeck, Bruckhausen, Hochfeld, Marxloh, Meiderich und Ruhrort die benannte Vielzahl mehrgeschossiger Wohngebäude unmittelbar geräumt worden. Ihre Bewohnerschaft besteht vorrangig aus bulgarischen und rumänischen Familien mit einer Vielzahl Kinder. Das Jugendamt ist nunmehr nicht von vornherein eingebunden.

„Finden sich Mängel, wird die sofortige Schließung des Hauses verfügt. Die Bewohnenden erhalten die Möglichkeit, ihre Habe innerhalb von fünf Stunden heraus zu bringen und sich um eine neue Bleibe zu kümmern.“

Der schematische Ablauf ist der: Wohngebäude werden überprüft, zu denen es eine bestimmte Beschwerdelage geben soll. Ein Team u. a. aus Ordnungsamt, TÜV, Feuerwehr, Energieversorgung, Entsorgungsunternehmen und auch Jobcenter unter Amtshilfe durch die Polizei, die keine aktive Rolle einnimmt, betritt ohne Voranmeldung am Begehungstag morgens die Häuser. Die Personalien der Bewohnenden werden in ihren Wohnungen überprüft. Finden sich Mängel, die aus Brandschutzgründen eine unabwendbare Gefahr darstellen, wird die sofortige Schließung des Hauses verfügt. Die Bewohnenden erhalten die Möglichkeit, ihre Habe innerhalb von fünf Stunden heraus zu bringen und sich um eine neue Bleibe zu kümmern.

Quelle: MIGazin

Stand: 14.06.2022