Category Archives: Antiziganismus auf politischer Ebene

Bettelverbot erzürnt nicht nur die Kirche

Österreich: Alpenrepublik versucht, Roma loszuwerden

Graz. Darf man sich an eine Hauswand setzen, eine leere Margarinedose vor sich aufstellen und hoffen, dass jemand Münzen hineinwirft? Österreich trägt einen Grundsatzstreit aus: Schon vier von neun Bundesländern der Alpenrepublik verbieten generell das Betteln. Sozialdemokraten und die katholisch geprägte Volkspartei geben dem Drängen der Rechtspopulisten nach, die Bettler aus der Slowakei, Rumänien und Bulgarien aus den Innenstädten verbannt sehen wollen. Jetzt muss das Verfassungsgericht entscheiden.

Zwei Professoren protestieren

Graz, mit 260 000 Einwohnern zweitgrößte Stadt des Landes, ist das Revier von etwa 70 Roma vor allem aus der Slowakei, aber auch aus Rumänien und Bulgarien. Seit mehr als einem Jahrzehnt sitzen hier immer dieselben Bettler vor Kirchen oder am Hauptplatz und bitten still um Gaben. Als zu Monatsbeginn ein totales Bettelverbot in Kraft trat, waren erstmals neue Gesichter am Straßenrand zu finden: Zwei emeritierte Professoren, der bekannte „Armenpfarrer“ Josef Pucher, ein 85-jähriger früherer ORF-Intendant und ein Ex-Landespolitiker ließen sich vor dem Landtag nieder, stellten Sammelbüchsen vor sich auf und warteten auf die Polizei. Sie wurden angezeigt. Jetzt hofft Pfarrer Pucher auf einen Strafbefehl. Ein ähnlicher Fall in Salzburg liegt den Wiener Verfassungsrichtern schon vor.

Dass Bettler Passanten nach österreichischem Recht nicht ansprechen oder ihnen gar hinterherlaufen dürfen, ziehen auch die Gegner der Verbotsgesetze nicht in Zweifel. Beschwerden über Diebstähle oder Belästigungen gab es keine. Immer wieder ging die Polizei Hinweisen auf Menschenhandel nach. Immer ohne Erfolg: „Organisiert“ an der Bettelei war allein, dass die Roma gemeinsam reisten und den Erlös gelegentlich teilten.

Trotzdem bestreiten die Rechtsparteien FPÖ und BZÖ mit der „Bettlermafia“ seit zehn Jahren ihre Wahlkämpfe. SPÖ und ÖVP stehen unter Zugzwang. Mit einem ersten Versuch, das Betteln ganz zu verbieten, scheiterte ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl am grünen Koalitionspartner. Die Landesregierung half ihm aus der Patsche und beschloss ein Verbot gleich für die ganze Steiermark. Ärger bekam der Bürgermeister danach von seiner katholischen Klientel. Auftrieb gibt den Gegnern ein Urteil des baden-württembergischen Verwaltungsgerichts, das 1998 ein ähnliches Verbot für Stuttgart aufhob.

Quelle: Morgen Web
Stand: 20.05.2011

Bürgermeister-Kandidat fordert KZ für Roma in Ungarn

Mit heftigem Protest reagierten Politiker der sozialistischen Oppositionspartei MSZP auf Äußerungen des Bürgermeisterkandidaten der rechtsextremen Partei Jobbik für Miskolc bei den Kommunalwahlen am 3. Oktober. Márton Szegedi hatte gefordert, „Wiederholungstäter mit Romaherkunft die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie außerhalb der Städte in Lager zu stecken“. Er erwähnte dazu „bewährte“ Beispiele „aus der Slowakei, Frankreich, Italien und Finnland“, wo solche Disziplinierungen schon angewandt würden. Der MSZP-Parteisprecher forderte sowohl den Politiker wie seine Partei dazu auf, sich deutlich von diesen Äußerungen zu distanzieren, die ein Aufruf zur Schaffung von Konzentrationslagern nach natioanlsozialistischem Vorbild seien. Der Platz für einen Wiederholungsstraftäter ist auch in Ungarn einzig und allein das Gefängnis, so MSZP-Sprecher Nyako, der sich auch ein Machtwort von Premier Orbán erwartet, der klarstellt, dass die rund 500.000 ungarischen Roma vor extremistischen Auwüchsen geschützt werden.

Quelle: Pester Lloyd
Stand: 30.08.2010

Machtproben: Nachspiele zum Jobbik-Aufmarsch in Ungarn

Der Jobbik-Aufmarsch in dem nordostungarischen Dorf Hejöszalonta vom Wochenende hat weitergehende Nachwirkungen, was ja auch im Sinne des Erfinders gewesen sein dürfte. Angehörige der ortsansässigen Roma weigerten sich zu Beginn der Woche, ihre Kinder in den Kindergarten zu bringen, weil eine der Betreuerinnen der kommunalen Anstalt an der Jobbik-Demonstration teilgenommen hatte. Im Unterschied zu anderen Bürgermeistern, die teilweise die rechtsextremistischen Demonstranten bzw. deren sog. „Bürgerwehren“ direkt in die Orte einluden, sprach der Bürgermeister von Hejöszalonta József Anderkó davon, dass Jobbik die Stimmung im Ort „hysterisch aufgeheizt“ habe. Zwar patroulliert die Polizei seitdem rund um die Uhr, doch die Situation bleibt enorm angespannt, beklagt der Gemeindevorsteher.

Jobbik Continue reading Machtproben: Nachspiele zum Jobbik-Aufmarsch in Ungarn

Ungarn: Rechtsradikale patrouillieren in Roma-Viertel

200 Mann der offen rassistischen „Bürgerwehr“-Gruppe „Szebb Jövöert“ sind seit Montagabend in einer nordungarischen Kleinstadt unterwegs. Als Grund nennen sie die gestiegene Kriminalität.

Die rechtsradikale ungarische „Bürgerwehr“-Gruppe „Szebb Jövöert“ marschiert seit Montagabend im Roma-Viertel der nordungarischen Kleinstadt Hajduhadhaza. Die 200 Mann starke uniformierte Gruppe wolle zwei Wochen bleiben, sagte am Dienstag Gergely Rubi, Parlamentsabgeordneter der rechtsradikalen Partei Jobbik, der selbst Mitglied dieser „Bürgerwehr“ ist. Den Aufmarsch begründete Rubi nach Angaben der ungarischen Nachrichtenagentur MTI mit der angeblich gestiegenen Kriminalität.

Die „Bürgerwehr“-Mitglieder seien von der Bevölkerung von Hajduhadhaza gut aufgenommen worden, sagte Rubi weiter. Sie würden während ihres „Einsatzes“ bei zwölf Familien wohnen und von diesen auch verpflegt. An diesem Sonntag ist eine Großdemonstration der Rechtsradikalen geplant, zu der auch der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona erwartet wird. Continue reading Ungarn: Rechtsradikale patrouillieren in Roma-Viertel

Rumänien: Nur noch „Zigeuner“ statt „Roma“?

Eine rumänische Gesetzesinitiative will den Terminus „Zigeuner“ (Ţigan) verordnen, den Segen der Rumänischen Akademie hat sie bereits

Eine Legislativinitiative des liberaldemokratischen Abgeordneten Silviu Prigoana, derzufolge künftig im offiziellen Sprachgebrauch der Begriff „Roma“ mit dem Terminus „Zigeuner“ ersetzt werden soll (vgl. dazu frühere Medienkampagnen), wird derzeit von der Regierung erörtert. Eine Stellungnahme der Exekutive zu besagter Gesetzesinitiative steht zwar noch aus, muss allerdings demnächst abgegeben werden, berichtete die Nachrichtenagentur Mediafax. Die Rumänische Akademie hat das Legislativprojekt bereits abgesegnet. Die Gesetzesinitiative war im Monat September im Senat, dem Oberhaus des rumänischen Parlaments, eingebracht worden, nachdem Staatschef Băsescu erklärt hatte, dass seiner Meinung nach der Begriff „Roma“ im Ausland für Verwechslungen zwischen Rumänen und den Angehörigen der Roma-Minderheit sorge. Continue reading Rumänien: Nur noch „Zigeuner“ statt „Roma“?

Zur Zeit und die „ungeliebte Minderheit“

FPÖ-MEP Andreas Mölzers beschäftigt sich in der aktuellen Ausgabe der Zur Zeit (40/2010) „mit dem sogenannten ‚fahrenden Volk‘, mit Roma und Sinti also, um es politisch korrekt auszudrücken, mit den Zigeunern, um verständlich zu sein“. (S. 2) Tatsächlich lassen die entsprechenden Beiträge an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. So schreibt Mölzer im Editorial von einer „Neigung des fahrenden Volkes, sich über geltende Gesetze sich leichterhand hinwegzusetzen“. Es sei „sattsam bekannt“, dass „zur Kultur des fahrenden Volkes gehört, den Eigentumsbegriff anders auszulegen als herkömmlich europäische Gesellschaften“ (ebenda). Erich Körner-Lakatos ergänzt die Klischees um das des „lustige[n] musizierende[n] Zigeuner[s]“, den „jedermann schätzt“ (S. 13). Und Helge Morgengrauen macht ihre Marginalisierung „den dunkelheutigen, eher kleinwüchsigen Fremden“ selbst zum Vorwurf, wenn er davon schreibt, dass sich „die Zigeuner […] nirgends wirklich integrierten“ (S. 15).

Quelle: Dokumentationsarchivs
des österreichischen Widerstandes

Stand: Oktober 2010

Controversy over comments about Roma by Hungarian far-Right leader

Gábor Vona, chairman of the radical nationalist party Jobbik, has recently come under fire for comments made about Roma in Hungary.

During a parliament session on the 14th February, he said that a major problem in Hungary was the fast reproductive rate of the gypsy community.

The Speaker of the Hungarian National Assembly László Kövér made no objection to this remark. When the Socialist chairman Attila Mesterházy later advised Kövér to take action against similar behaviour in the future, he was told by the Speaker to not commentate on how the session was being led or else he would not be allowed to speak. Continue reading Controversy over comments about Roma by Hungarian far-Right leader

Romanian Senate rejects bill to officially rename Roma „Gypsies“

The Romanian Senate has voted down a bill to officially rename the Roma minority „Gypsies“. Romanian press agency Mediafax reports senators voted 51 against the bill and 27 in favor, with five abstentions.

The bill claimed the change was needed because of the similarity between the name of the country of Romania („Romania“ in Romanian) and that of the Roma („Romi“ in Romanian). It also argued that the term „Gypsies“ („Tsigani“ in Romanian) is more widespread in the country. The Associated Press reports that two parliamentary committees endorsed the change last week.

Roma associations did not like the idea from the start, as they consider the label of „Gypsies“ to be abusive. In their view the term labels the Roma as a nation that is poor, rootless and uneducated.

Quelle: Romea.cz
Stand: 10.02.2011

Slowakei: Roma-Politiker als Lachnummer

Ein Bürgermeister, der kaum lesen kann, wird zum Hit im Internet und facht den Streit um Roma in der Slowakei erneut an.

Mühsam stammelt sich der Mann durch den Text, den schließlich eine Kollegin für ihn vortragen muss, schafft nicht einmal sein Amtsgelöbnis ohne Fehler und zettelt zuletzt noch eine lautstarke Streiterei im Rathaus an. Die peinliche Angelobung des 43-jährigen Vladimir Pokuta zum Bürgermeister des Städtchens Richnava in der Mittelslowakei ist zum Internet-Hit bei unseren Nachbarn geworden (siehe Link). Mehr als 60.000 Menschen haben das kurze Video auf youTube innerhalb weniger Tage angeklickt und damit auch eine neue Debatte über eines der heikelsten Themen in der Slowakei angezettelt: die Außenseiterrolle der Roma-Minderheit.

Eine halbe Million von ihnen lebt derzeit in der Slowakei, der Großteil in gettoähnlichen Siedlungen im Osten des Landes. Erdrückende Armut, mangelnde Schulbildung und eine Arbeitslosenrate bis zu 30 Prozent prägen ihr Dasein als diskriminierte Außenseiter. Continue reading Slowakei: Roma-Politiker als Lachnummer

Schneeberger Gastfreundschaft

Im sächsischen Schneeberg sind Asylbewerber aus Mazedonien in einer früheren Jägerkaserne der Bundeswehr untergebracht worden. Seitdem werden im Ort antiziganistische Vorurteile gepflegt.

In den EU-Staaten wurde im Dezember 2009 die Visumspflicht für mazedonische und serbische Staatsangehörige weitgehend abgeschafft. Seitdem klagen deutsche Innenminister darüber, dass die Reisefreiheit missbraucht werde. Spiegel und Focus prophezeiten im Oktober einen »Zustrom« von Asylbewerbern, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach von einem »offenkundigen Missbrauch« des Asylrechts. Im September hatten 800 serbische Staatsangehörige und 500 Mazedonier Antrag auf Asyl gestellt, der Spiegel sprach in diesem Zusammenhang von einer »Asylbewerberwelle«. Schon im Oktober wurden die finanziellen Rückkehrhilfen für Asylsuchende aus Serbien und Mazedonien gestrichen. Dass die Wortwahl, derer Innenminister und Medien sich bedienen, die Wahrnehmung in der Bevölkerung beeinflusst und Ressentiments verstärkt, konnte man in den vergangenen Wochen unter anderem im sächsischen Schneeberg beobachten. Continue reading Schneeberger Gastfreundschaft