Category Archives: Antiziganismus auf politischer Ebene

Rezension: NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus

von Benjamin Horvath

Der vorliegende Sammelband von Katharina Peters und Stefan Vennmann beleuchtet die Situation von Rom*nja in Deutschland aus unterschiedlichen Perspektiven und leistet dabei einen guten Überblick über aktuelle Vorschungsansätze.

Dirk Wolff stellt das Projekt „AIDD – Angekommen in Duisburg und Dortmund“ vor. Der Bericht bietet einen interessanten Einblick in die Konzeption und Arbeit des Projekts und stellt damit eine gute Skizze für (mögliche) ähnliche Projekte in anderen Städten (bspw. Halle/Saale) mit nennenswertem Zuzug von Roma dar. Ein daraus resultierendes Netzwerk solcher Gruppen könnte zu einem nützlichen Informationsaustausch führen.

Wibke Kleina beschreibt in „Zwischen Passfähigkeit und Besonderung“ die Diskriminierung zugereister Roma im deutschen Schulsystem, dass ihnen die Geringschätzung von Schulbildung vorwirft, während eine Mehrzahl von Faktoren für mögliche schlechtere Leistungen ausgeblendet werden. Dieses von Lehrenden als auch höheren Entscheidungsträgern (wie einst, im Kontext einer Demo gegen die Abschiebung von Roma, aus dem Mund von Boris Palmer gehört) gehegte Stereotyp übersieht die mannigfachen Faktoren, die zu einem möglichen Fernbleiben vom Unterricht und möglicher schlechten Leistungen bei Roma-Kindern führen können. Leider ist zu befürchten, dass die angeführten Lösungsvorschläge, wie die gezielte Betreuung der Kinder, an der schlechten Finanzierung der Schulen in Deutschland und einem Mangel an Lehrenden (besonders in strukturschwachen Regionen) scheitern werden. Continue reading Rezension: NICHTS GELERNT?! Konstruktion und Kontinuität des Antiziganismus

Roma in der Krise

Mit der Corona-Pandemie spüren Roma und Sinti in Europa steigende Anfeindungen. Wie ist die Situation in Österreich? Eine Nachfrage zum heutigen Internationalen Tag der Roma.

Die Covid-19-Epidemie bestätigt eine bekannte Tendenz krisenhafter Ereignisse: Jene, deren Lebensumstände schon zuvor prekär waren, trifft die Krise mit besonderer Wucht. Roma und Sinti, mit mehr als zehn Millionen die größte ethnische Minderheit in Europa, geraten gerade in südosteuropäischen Ländern unter verstärkten Druck. Rund die Hälfte aller europäischen Roma lebt in Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Serbien und Mazedonien, wo in großen Elendssiedlungen vielfach etliche Menschen auf engstem Raum zusammenleben – ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Covid-19. Continue reading Roma in der Krise

Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor Rassismus in der Corona-Krise

Rechtsextreme und nationalistische Politiker in einer Vielzahl von Ländern Mittelost- und Südosteuropas wollen die gegenwärtige Krise, die durch den neuen Corona-Virus entstanden ist, nutzen, um ihre rassistischen Positionen jetzt als Regierungshandeln zu legitimieren und umzusetzen. Continue reading Zentralrat Deutscher Sinti und Roma warnt vor Rassismus in der Corona-Krise

Sinti und Roma in der Coronakrise: Es drohen Rassismus, Pogrome, Hungersnot

Die Coronakrise trifft Minderheiten besonders hart. Werden Sinti und Roma zu Sündenböcken? In Bulgarien wurden die ersten Siedlungen abgeriegelt.

Es ist nur ein Gerücht, aber es entfacht eine verheerende Wirkung: Angeblich haben Roma-Migranten, die aus Deutschland und anderen Teilen Westeuropas nach Bulgarien zurückreisten, das Coronavirus in den Balkanstaat eingeschleppt. Die ersten beiden Bulgaren, die sich infizierten und später sogar starben, sollen sich, wie es heißt, nur deshalb angesteckt haben, weil Roma entgegen den Empfehlungen der bulgarischen Regierung sorglos gehandelt und so ihre Landsleute in Gefahr gebracht hätten. Von „mangelnder Disziplin“ der Roma ist die Rede. Continue reading Sinti und Roma in der Coronakrise: Es drohen Rassismus, Pogrome, Hungersnot

Getrennter Schulunterricht: Orbán will Entschädigung für Roma-Kinder verhindern

Getrennte Klassen, keine Teilnahme an Ausflügen und am Schwimmunterricht. Jahrelang wurden Roma-Kinder an einer Schule in Ungarn diskriminiert, bis ein Gericht ihnen Entschädigung zusprach. Doch Ministerpräsident Viktor Orbán will das verhindern.

Budapest, 23. Februar – Tausende von Menschen ziehen durch die Innenstadt, demonstrieren vor dem Obersten Gerichtshof und dem Parlament gegen die Diskriminierung von Roma: „Ein Ungarn – wir gehören hierher! Alle zusammen! Ein Ungarn, wir gehören hierher“, skandieren sie. Die Regierung müsse Gerichtsurteile, die zugunsten der Roma ausfallen, respektieren.

Gyöngyöspata, eine Kleinstadt, eine Autostunde nordöstlich von Budapest entfernt. Rund 2.500 Menschen leben hier, circa 20 Prozent gehören der Roma-Minderheit an. Unterhalb der historischen Dorfkirche zur Heiligen Jungfrau Maria liegt die Grund- und Hauptschule. Bis zur Pensionierung des alten Direktors im Jahr 2017 wurden hier Roma-Kinder von den übrigen Schulkindern getrennt. Die 21-jährige ehemalige Schülerin Nicolett erinnert sich: „Wir waren unten, im Erdgeschoss. Sie, die ungarischen Kinder waren oben, im ersten Stockwerk. Sie haben getrennte Jahrgänge für die Klassen 1, 2 und 3 gehabt.“ 

Roma-Kinder wurden systematisch von anderen Kindern getrennt

Eine richtige Schulausbildung habe sie nicht erhalten. Systematisch seien sie und die übrigen Roma-Kinder von „normalen“ Schülern getrennt worden: „Wir haben Mittagessen in einem getrennten Raum bekommen. Wir durften nicht ins Schwimmbad gehen. Wir duften nicht an Ausflügen oder Auftritten teilnehmen.“

Schon 2012 hatte das Landgericht Eger zugunsten der Kinder geurteilt: In Gyöngyöspata seien die Roma-Kinder rechtswidrig von den anderen Schulkindern getrennt worden. Die Stadt und die Schule gingen in Berufung und verloren, sieben Jahre später, auch diese Klage. Im Herbst 2019 gab das zuständige Bezirksgericht in Debrecen den 62 ehemalige Roma-Schüler recht: Die Roma hätten ihre ganze Schulzeit widerrechtlich in einer von den Nicht-Roma getrennten Schule verbringen müssen, sie hätten Unterricht auf niedrigerem Niveau erhalten und seien damit diskriminiert worden.

Orbán will Entschädigungszahlung an Roma verhindern

Den 62 ehemaligen Schülerinnen und Schülern stehe eine Entschädigungssumme in Höhe von insgesamt 100 Millionen Forint zu, umgerechnet rund 300.000 Euro. Das Geld könne ja wohl kaum ausgezahlt werden an Menschen, die dafür nicht gearbeitet hätten, kündigte Ministerpräsident Viktor Orbán Anfang Januar dieses Jahres auf einer Pressekonferenz für die Auslandspresse an: „Ich bin kein Einwohner von Gyöngyöspata. Aber wenn ich dort leben würde, würde ich mich fragen: Wie ist das denn eigentlich? Dass eine Gemeinde, die mit mir im selben Dorf lebt, zu einer bestimmten ethnischen Gruppe gehört, eine erhebliche Summe bekommt, ohne jegliche Arbeit.“

„Wir fanden das ungerecht und empörend, dass er das vor dem obersten Gerichtshof überprüfen möchte,“ sagt die ehemalige Schülerin Nicolett. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts ist die Kleinstadt Gyöngyöspata vor den Obersten Gerichtshof in Budapest gezogen, das Urteil wird im April erwartet. Die Stimmung im Dorf sei äußerst angespannt – sie, sagt Nicolett, und ihr Freund würden beschimpft: „Zum Beispiel, wenn wir ins Geschäft gehen, wurde ich einmal schon angegriffen und gefragt: Warum ich auf der Demonstration ein Gedicht zitiert habe. Oder mein Partner wurde von zwei alten Frau angebrüllt: Was er sich denn einbildet und dass die stinkenden Roma Geld kriegen.“

Bürgerbefragung zum Gerichtsurteil geplant

Géza Csemer, der Präsident der Roma Selbstverwaltung in Gyöngyöspata, erhielt anonymen Morddrohungen: Man werde ihm und den anderen zudem das Haus über dem Kopf anzünden. Dass es so weit gekommen sei, habe auch mit Orbáns Nein zum Gerichtsurteil zu tun: „Meiner Meinung nach ist es eine große Schande für das ganze Land. Wir haben es im Jahr 2020 erlebt, dass man Angst haben muss, obwohl in einem Rechtsstaat es die Entscheidung des Gerichtshofes gibt. Der Gerichtshof hat sein Urteil gefällt und die Leute haben jetzt Angst, das Geld anzunehmen.“

Die Orbán-Regierung lässt am 15. März „nationale Konsultationen“ durchführen, eine nicht verbindliche Befragung per Briefpost an alle Wählerinnen und Wähler, auch zu Gyöngyöspata. Denn das Urteil habe, Zitat „das Rechtsempfinden der Bürger“ verletzt.

Quelle: Deutschlandfunk

Stand: 09.03.2020

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Matteo Salvini außer Rand und Band: „Scheiß Zigeunerin“

Italiens Innenminister bleibt gegen Flüchtlinge hart und rastet bei einem Pressetermin aus.

Aggressives und autoritäres Verhalten prägen den Führungsstil des ultra-rechten italienischen Lega-Innenministers Matteo Salvini. Mit seinem Anti-Migrationskurs sorgt er für Aufsehen. Auch Pressefreiheit, Menschenrechte und demokratische Grundprinzipien werden zunehmend eingeschränkt.

Seit Tagen wartet das deutsche Rettungsschiff „Alan Kurdi“ mit 40 Menschen an Bord südlich der Insel Lampedusa auf grünes Licht für eine Hafeneinfahrt. Weitere 123 Personen hoffen an Bord des NGO-Schiffes „Open Arms“ ebenfalls auf einen sicheren Hafen. Salvini bleibt aber bei seiner harten Linie der Hafensperre. Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat gestern in Rom Premier Giuseppe Conte einen neuen EU-Asylpakt vorgeschlagen: „Wir wollen, dass die Aufnahmeprozeduren effizient, aber auch menschlich sind. Wir wissen, dass Italien aus geografischen Gründen stärker mit der Migrationsproblematik konfrontiert ist. Wir müssen Solidarität garantieren, das darf jedoch nicht einseitig sein“, erklärte von der Leyen.

Conte forderte, das Dubliner Abkommen zu ändern: „Es ist nicht zumutbar, dass das Migrationsproblem auf den Schultern der Ankunftsländer lastet.“
Innenminister Salvini hatte vorab Deutschland „Erpressung“ bei der Flüchtlingsverteilung vorgeworfen: „Von der deutschen Regierung sind miserable Signale gekommen.“

Der Lega-Chef urlaubt derzeit im Badeort Milano Marittima. Erholung scheint nach dem Dauerstreit mit dem populistischen Koalitionspartner Fünf Sterne nötig. Ob beim Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Turin-Lyon, beim Haushaltsbudget, den Autonomiebestrebungen norditalienischer Regionen oder der Justizreform: Es gibt kaum ein Thema, in dem sich die beiden einig sind. Bei einer Pressekonferenz im Restaurant Papeet Beach in seinem Urlaubsort hatte Salvini offenbar wenig Lust, sich kritischen Journalistenfragen zu stellen. „Ich antworte nicht. Kinder müssen von der politischen Polemik ferngehalten werden. Punkt“, wiederholte Salvini wie ein Tonband.

Zur Vorgeschichte: Zu Wochenbeginn vertrieb sich Salvinis 13-jähriger Sohn die Zeit auf dem Meer – mit einem Jetski der italienischen Polizei. Ein Journalist der Tageszeitung La Repubblica filmte die Szene. Rasch verbreiteten sich die Aufnahmen im Internet. Salvini versuchte die Angelegenheit als „Fehler eines Vaters“ zu entschuldigen. Für Empörung sorgte dabei weniger die Vergnügungsfahrt von Salvini junior, als das aggressive Verhalten der Sicherheitsleute. Die Polizisten drohten dem Journalisten nach Weigerung, das Video zu löschen: „Wir wissen, wo du wohnst.“

Auch Antworten zur Affäre um russische Wahlkampfgelder für die Lega-Partei verweigerte der Minister. Ebenso reagierte er nicht auf neue Anschuldigungen, wonach sein Ex-Pressesprecher Savoini zwei Jahre vor Moskau bereits in Marokko Gelder lukriert haben soll. „Immer wenn ich lachen will, lese ich eure Zeitung“, spottete Salvini.

Zudem erreicht seine Verachtung gegenüber den Schwachen der Gesellschaft neue Dimensionen. Einer Roma-Frau ließ er vor der Kamera ausrichten: „Scheiß Zigeunerin, du wünschst mir ein Projektil, ich komme bald mit dem Bagger. Ciao!“

Quelle: Kurier

Stand: 14.08.2019

Den aktuellen Antiziganismus gegen Sinti und Roma bekämpfen!

Zur antiziganistischen „Rattenproblem“-Hetze des Duisburger SPD-Bürgermeisters: Den aktuellen Antiziganismus gegen Sinti und Roma bekämpfen!

Am 9.8.2018 setzte sich Duisburgs SPD-Oberbürgermeister Link an die Spitze einer neuerlichen Welle antiziganistischer Hetze. Er erklärte, mit „krimineller Energie“ und „viel Betrug“ ginge es Roma in Duisburg und anderswo in Deutschland angeblich nur darum, Kindergeld und andere Sozialleistungen abzuzocken. Das gipfelte im Satz: „Ich muss mich hier mit Menschen beschäftigen, die ganze Straßenzüge vermüllen und das Rattenproblem verschärfen. Das regt die Bürger auf.“

In einer Pressemitteilung vom 13.8.18 protestierte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, dass mit derartigen rassistischen Äußerungen offenbar „aus den Reihen der SPD ein alter Antiziganismus wieder gesellschaftsfähig gemacht werden soll“. Romani Rose warf dem SPD-Politiker vor, „eine auf die Abstammung rekurrierende völkische Sortierung von Menschen vornehmen zu wollen“. Romani Rose stellt weiter fest: „Dies steht in der Tradition der Herstellung von Sündenböcken und birgt, gerade jetzt, die Gefahr von Gewalt gegen Sinti und Roma“ (s. Pressemitteilung vom 13.8.18). Tatsächlich hatte der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma unmittelbar nach den Äußerungen des Duisburger Oberbürgermeisters eine Vielzahl von Hass-Mails erhalten, zum Teil mit massiver Gewaltandrohung.

Schon vor dem 9.8.2018 hatte der Duisburger SPD-Politiker mit seiner rassistischen Hetze „völkische Sortierung von Menschen“ betrieben. Im Herbst 2015 erklärte er: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ (Zitiert nach ND v. 13.8.18) Bereits am 19. Juli 2018 hatte der SPD-Politiker Link unmissverständlich in Seehofer-Manier erklärt: „Wenn wir unseren Job machen, dann ist die AfD überflüssig.“ (Zeit online 19.7.18)

Kontinuität des Antiziganismus I– SPD-OB Metzger

Link ist nicht der erste Vorreiter rassistischer Hetze und diskriminierender Politik in der SPD. Darauf macht der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma in seiner Pressemitteilung vom 13.8.2018 aufmerksam: „Mit dem Hinweis auf das Auftreten von ‚Ratten‘ hatte vor Jahren der Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Günther Metzger das, wie der Zentralrat damals kritisierte, ‚seit 1945 schlimmste Beispiel für Rassismus‘ geliefert. Die Argumentation von Oberbürgermeister Link nimmt dieses zutiefst rassistische Bild auf und verbindet es mit dem Vorwurf des Betrugs und unhygienischer Lebensweise, die Ratten anziehe.“ Um diese Kontinuität zu verdeutlichen, ist es angebracht, etwas genauer an das damalige antiziganistische Geschehen in Darmstadt zu erinnern.

Seit 1980 lebten dort einige Roma-Familien aus Jugoslawien. Bereits im Januar 1982 erfolgte ein Sprengstoffanschlag auf eines ihrer Wohnhäuser. Die rassistische Stimmung in der Bevölkerung nahm danach sogar noch zu. Im August 1983 ließ der Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Günther Metzger in einer Blitzaktion das Haus abreißen, in dem vier der Roma-Familien gelebt hatten. Er „begründete“ den Abriss nachträglich mit angeblicher „Seuchengefahr“. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub mussten die Betroffenen die Reste ihres Mobiliars, ihrer Kupferwerkstatt und sogar die Bilder ihrer im Zweiten Weltkrieg durch die faschistische Ustascha ermordeten Angehörigen in den Trümmern suchen. Im September versuchten fünfzehn von ihnen, den SPD-Bürgermeister Metzger zu einem Gespräch zu bewegen und auf die unzureichenden Lebensbedingungen der Roma nach dem Hausabriss hinzuweisen, vergeblich. 1984 wurden die betroffenen Familien aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (zwei Familien konnten nach Protesten und Interventionen noch in anderen deutschen Städten bleiben). (Infos aus http://www.sintiundroma.org/de)

Dass derartiges keine für die SPD angeblich untypischen Einzelfälle sind, wird am Beispiel des SPD-Politikers Sarrazin überdeutlich. Dieser hat mit seiner millionenfach verbreiteten deutschnationalistischen, rassistisch-völkischen Hetze in seinem 2010 erschienenen Buch „Deutschland schafft sich ab“ und weiteren „Beiträgen“ dieser Art seitdem und bis heute seinen fest verankerten Platz in der SPD.

Kontinuität des Antiziganismus II – Wilhelm Leuschner

Wie tiefgehend und weit zurückreichend der Antiziganismus ist, zeigt der SPD-Politiker Wilhelm Leuschner. Leuschner war zwar nach 1933 aktiver Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Herrschaft. Er wurde von den Nazi-Schergen gefoltert, ins Gefängnis geworfen und ins KZ geschleppt und 1944 hingerichtet. Das darf aber nicht vergessen machen, dass er als Hessischer Innenminister von 1928 bis 1933 antiziganistische Hetze und schlimme Ausgrenzungspolitik gegen die Sinti und Roma betrieb.

Leuschner legte 1929 dem Hessischen Landtag das „Gesetz zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“ vor. Dieses trat im April 1929 in Kraft. Bei der Lesung des Gesetzes formulierte Leuschner als Ziel, damit noch stärker als bisher „die Zigeunerplage als dauernde Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ zu bekämpfen, da „eine Ausrottung des Übels bisher nicht möglich war“ (zitiert nach Frankfurter Rundschau v. 1.12.17). Leuschners Gesetzesinitiative fand im Parlament breite Zustimmung. Nur Abgeordnete der KPD lehnten das Gesetz als „Ausnahmegesetz“ ab.

Auf Grundlage des Gesetzes wurden die Kreisämter verpflichtet, alle Daten über Geburt, Heirat oder Tod von Menschen, die als „Zigeuner“ identifiziert wurden, an das Polizeiamt in Darmstadt zu melden. Daneben führte das von Leuschner initiierte Gesetz eine Genehmigungspflicht für ein Reisegewerbe von Sinti und Roma ein. Die Erlaubnis wurde an eine erkennungsdienstliche Behandlung geknüpft. Dies schränkte die Berufsausübung der Betroffenen massiv ein. Die behördlichen Unterlagen fielen später den Nazis für ihre Vernichtungspolitik in die Hände Nach 1945 galt im Land Hessen das Gesetz noch bis 1957.

Unter dem Hessischen Innenminister Leuschner wurde 1929 an der Stadtgrenze Frankfurts auch ein „Zigeunerlager“ errichtet, um „Zigeuner und nach Zigeunerart umherziehende Personen“ aus dem Stadtgebiet fernzuhalten. Sinti und Roma konnten auf Grund der damals bestehenden Rechtslage in dieses Lager noch nicht zwangseingewiesen werden. Doch ermöglichte es doch die umfassendere Schikane von „Zigeunern“ durch Polizei und städtische Behörden.

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1893 hielt August Bebel auf einem SPD-Parteitag seine bekannte Rede „Antisemitismus und Sozialdemokratie“. Im Zusammenhang mit der jüdischen Unterdrückungs- und Verfolgungsgeschichte merkte Bebel an, dass es hierzulande eine solch grausame Verfolgung durch Jahrhunderte nur noch bei einem anderen Volk gegeben hat, nämlich den Sinti und Roma. Er prangert hier ausdrücklich die ‚Zigeunerverfolgungen‘ an und äußert seine Bewunderung angesichts „dieser furchtbaren Verfolgungen“. (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands 1893, Berlin 1893, S. 227) Dies war eine wichtige und richtige Feststellung Bebels, ein Ansatz- und Ausgangspunkt für eine solidarische Haltung. Befremdlich ist allerdings, dass diese Äußerung Bebels laut Parteitagsprotokoll unter den Delegierten „Heiterkeit“ auslöste. Das ist ein Hinweis auf schon damals problematische oder falsche Haltungen in der Sozialdemokratie, lange bevor die SPD nach einem Ausspruch von Rosa Luxemburg mit der Bewilligung der Kriegskredite 1914 zu einem „stinkenden Leichnam“ geworden war.

Solidarität mit den Sinti und Roma gegen jede Form von Diskriminierung und Verfolgung!

In der Tat, bis heute wird kaum eine Minderheit in Deutschland in den reaktionären Medien und von Politikern diverser Couleur immer wieder so verhetzend dargestellt und diskriminiert, von staatlichen Behörden so unterdrückt und verfolgt und auch von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung so verachtet wie die Sinti und Roma, ungeachtet des Völkermords der Nazis an 500.000 Sinti und Roma. Bis heute ist das Leben der Sinti und Roma in Deutschland in einem hohen Maß geprägt von antiziganistischer Ausgrenzung und Diskriminierung, von Polizei-Schikanen und Abschiebeterror sowie von mörderischen Nazi-Attacken. Gegen all das erklären wir:

Es ist die Aufgabe aller fortschrittlichen GewerkschafterInnen und Antifas, verstärkt die antiziganistische Hetze zu bekämpfen und zu entlarven, egal von wem diese betrieben wird. Es gilt mit den Sinti und Roma im Kampf gegen jegliche antiziganistischen Diskriminierungen, Verfolgungen und Angriffe wirklich solidarisch zu sein.

Kontakt: GewerkschafterInnen und Antifa gemeinsam gegen Dummheit und Reaktion
c/o Jugendzentrum in Selbstverwaltung, Postfach 12 19 65, 68070 Mannheim – E-Mail: gewantifa@yahoo.de

Quelle + pdf.: GewerkschafterInnen und Antifa gemeinsam gegen Dummheit und Reaktion
Stand: 31.08.2018

Roma im Fadenkreuz

Trotz Grundgesetz – Landtagsfraktion der sächsischen AfD will die Roma in dem Bundesland zählen lassen

Mitte Juni reichte der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Carsten Hütter eine der vielen parlamentarischen kleinen Anfragen ein, mit denen die rechtspopulistische Partei für gewöhnlich zu provozieren versucht. Diesmal wollte Hüttner im Namen seiner Fraktion mit seiner Anfrage in Erfahrung bringen, wie viele Sinti und Roma in dem ostdeutschen Bundesland leben, wobei die Landesregierung zudem die Mitglieder dieser von dem NS-Regime verfolgten Minderheit nach ihrer Staatsangehörigkeit aufschlüsseln sollte.

Überdies wollte die AfD erreichen, dass die sächsische Landesregierung empirisches Material bezüglich der üblichen Ressentiments gegenüber Roma liefert: Die Regierung sollte angeben, in welchen Umfang die Schulpflicht der Roma-Kinder eingehalten wird. Zudem wollte die AfD wissen, wie viele Roma auf Sozialleistungen in Sachsen angewiesen seien. Ähnliche Anfragen, die aber nicht so explizit formuliert wurden, sind auch von der AfD in Sachsen-Anhalt eingebracht worden. Continue reading Roma im Fadenkreuz

In Europa erstarkt der Antiziganismus – Hassverbrechen und Sondererfassung

Am 2. August, dem »Roma Holocaust Memorial Day«, wird der Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus gedacht. Doch der Antiziganismus in Europa gehört nicht der Vergangenheit an.

In ganz Europa erstarkt derzeit der Antiziganismus, also der Hass auf Roma. Besonders krass manifestriert er sich seit mehreren Monaten in der Ukraine, wo extrem rechte Milizen regelrecht Jagd auf Roma machen. Brutaler Höhepunkt einer Serie gewalttätiger Übergriffe war die Ermordung eines 24jährigen Rom in Lwiw am 23. Juni während eines nächtlichen Angriffs auf eine Siedlung. Dabei wurden außerdem mehrere Roma, unter ihnen Kinder, schwer verletzt. Immer wieder gibt es schwere antiziganistische Gewalttaten in der Ukraine. Zu einer pogromartigen Vertreibung von Roma aus einem Kiewer Park kam es am 7. Juni. Die Täter, Mitglieder der rechtsextremen Miliz »National Druschyna«, waren mit Hämmern und Äxten bewaffnet – die Miliz besteht unter anderem aus Veteranen des Regiments Asow. Dieses ist einer der etwa 80 paramilitärischen Freiwilligenverbände, die gegen die von Russland unterstützten Separatisten im Osten des Landes kämpfen. Continue reading In Europa erstarkt der Antiziganismus – Hassverbrechen und Sondererfassung