Verletzte bei Aufmärschen von Rechtsradikalen in Tschechien

Demonstrationen gegen Roma in mehreren Städten / Polizei setzt Wasserwerfer ein und nimmt 41 Menschen fest

Prag – Durch Aufmärsche von Rechtsradikalen sind im Norden Tschechiens erneut die schweren Spannungen um die dort lebende Minderheit der Roma aufgeflammt. Nach einer Kundgebung in der Stadt Varnsdorf kam es am Wochenende zu schweren Zusammenstößen zwischen gewalttätigen Extremisten und der Polizei, die diese an einem geplanten Marsch zu einer Roma-Siedlung hinderte. Dabei wurden sechs Menschen verletzt. Demonstrationen fanden auch in Rumburk und Novy Bor statt. Wie in Varnsdorf schlossen sich auch hier normale Bürger den Radikalen an. Insgesamt wurden nach Angaben der Polizei 41 Menschen festgenommen. Etwa 600 Polizisten und drei Hubschrauber waren im Einsatz.

Die Region, der sogenannte Schluckenauer Zipfel an der Grenze zu Sachsen und Polen, ist bereits seit einigen Wochen Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen, die sich die Rechtsradikalen jetzt offenbar zunutze machen wollen. Zu den Aktionen am Wochenende hatte eine Organisation namens ‚Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit‘ aufgerufen, offenkundig eine Nachfolgeorganisation der 2010 verbotenen rechtsradikalen Arbeiterpartei, die immer wieder mit Aufmärschen durch Roma-Siedlungen von sich reden gemacht hatte.

Schon vor Beginn der Demonstrationen hatte die Polizei bei der Durchsuchung von Autos im Umkreis der betreffenden Orte und an der deutsch-tschechischen Grenze in Zusammenarbeit mit den deutschen Kollegen etliche Schlag- und Stichwaffen beschlagnahmt. Ein Rechtsradikaler wurde festgenommen, weil er eine Gaspistole verwendet hatte, und vier weitere Menschen abgeführt, weil sie Kleidung mit Nazi-Symbolen getragen hatten. Bei den Zusammenstößen in Varnsdorf warfen die Rechtsradikalen nach einem Bericht des Tschechischen Rundfunks Steine und Flaschen, die Polizei setzte Wasserwerfer ein. In Novy Bor fand eine Gegendemonstration der Initiative ‚Hass ist keine Lösung‘ statt, an der sich etwa 200 Menschen beteiligten, unter ihnen mehrere Politiker und Pfarrer.

Die jüngsten Unruhen hatten sich vor drei Wochen an einem Vorfall in Rumburk entzündet. Dort waren sechs Jugendliche aus der Mehrheitsbevölkerung Samstagnacht nach einem Disco-Besuch von 20 Roma zusammengeschlagen worden. Und Anfang August hatten fünf Roma-Männer die Besucher einer Spielhalle mit Macheten angegriffen, nachdem es dort zuvor zu Handgreiflichkeiten gekommen war.

Im Hintergrund der Spannungen steht der massive Zuzug von Roma in den vergangenen Monaten in die genannten Städte. Veranlasst wurde die Umsiedlung offenbar von Immobilienhändlern, welche die Roma durch Schuldenerlass aus ihren früheren Wohnungen in verschiedenen mittelböhmischen Städten herauslockten. Sie verfrachteten sie dann nach Norden in diverse Stadtrand-Ghettos. Die Besitzer der bereitgestellten Häuser wiederum können darauf hoffen, dass die Mieten für die Wohnungen der überwiegend arbeitslosen Roma von den staatlichen und örtlichen Sozialbehörden bezahlt werden.

Quelle: Süddeutsche
Stand: 12.09.2011