Category Archives: Antiziganistische Übergriffe

Elfjähriges Kind in Handschellen

Vorwürfe gegen die Polizei im baden-württembergischen Singen: Ein Beamter soll einen Sinto diffamiert und ohne die Eltern auf die Wache abgeführt haben – womöglich wegen der Herkunft des Jungen.

Der Landesverband der Sinti und Roma Baden-Württemberg erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizei. Es geht um einen Vorfall am vergangenen Samstag. Zwei Polizisten sollen am Nachmittag in der Stadt Singen nahe Konstanz einen Sinto vor dessen Wohnhaus kontrolliert haben. Die Beamten sollen ihn nach seinen Personalien befragt und durchsucht haben. Als sie in seiner Tasche ein kleines Messer entdeckten – was gesetzlich erlaubt ist -, sollen sie ihn mit Handschellen hinter dem Rücken gefesselt, festgenommen und für eine knappe Stunde mit auf die Polizeiwache genommen haben, wobei ihm jeder telefonische Kontakt zu seiner Familie verweigert worden sei. Das Besondere an diesem Fall: Der Festgenommene, Tiziano L., ist elf Jahre alt.

„Ein Kind festzunehmen, ist eindeutig rechtswidrig“, sagte Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbands der Sinti und Roma, der Süddeutschen Zeitung. Er weist auf besondere Umstände hin, die offenbar mit der Herkunft des in Deutschland geborenen und einen deutschen Pass besitzenden Kindes zu tun hätten. So soll einer der beiden Polizisten den Elfjährigen in gebrochenem Romanes angesprochen haben, der Sprache, die von Sinti und Roma gesprochen wird. Auch soll der Beamte gegenüber dem Jungen gesagt haben, er kenne dessen „Zigeuner“-Familie genau. In der Diskussion mit dem Jungen habe der Beamte dann gedroht, Tiziano L. müsse die ganze Nacht auf der Wache verbringen. Ihn werde der „Mulo“ holen. Mulo ist Romanes und bedeutet grob übersetzt Tod.

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Interview zur Verfolgung und Diskriminierung Duisburger Sinti

Das Kultur- und Stadthistorischen Museum Duisburg veröffentlicht aus aktuellem Anlass auf youtube ein Interview zur Verfolgung und Diskriminierung Duisburger Sinti.

Interview mit Mario Reinhardt. Duisburger Sinto und Enkel des Auschwitzüberlebenden Franz Lehmann. Der Völkermord an den europäischen Sinti und Roma gilt als der vergessene Holocaust. Der Duisburger Sinto Franz Lehmann (1922–1992) überlebte den Völkermord. Sein Enkel, Mario Reinhardt, berichtet in diesem Video über die Verfolgung der Familie Lehmann, das Leben in der Nachkriegszeit und die Gegenwart rassistischer Diskriminierung. Das Interview wurde 2020 im Rahmen der Wanderausstellung „Rassendiagnose Z*: Der Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um Anerkennung“ gezeigt. Das Zentrum für Erinnerungskultur präsentierte die Ausstellung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma im Kultur- und Stadthistorischen Museum.

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Sündenböcke der Pandemie: Bulgarien desinfizierte Roma mit Flugzeugen

Die Minderheit der Roma gilt in Bulgarien wie in fast jedem Land als strukturell benachteiligt. Die Corona-Krise befeuert rassistische Vorurteile gegen die Minderheit. Als Sündenböcke gebrandmarkt, werden Roma aus Flugzeugen mit Desinfektionsmittel besprüht.
 
Quelle + Video: n-tv.de
Stand: 02.11.2020

Some European officials use virus as a cover to target Roma

In Bulgaria, Roma communities were sprayed with disinfectant from crop dusters this spring as coronavirus cases surged in the country. In Slovakia, their villages were the only ones where the army conducted testing. And across Central and Eastern Europe, reports of police using excessive force against Roma spiked as officers were deployed to enforce lockdowns in their towns.

Human rights activists and experts say local officials in several countries with significant Roma populations have used the pandemic to unlawfully target the minority group, which is Europe’s largest and has faced centuries of severe discrimination. With COVID-19 cases now resurging across the continent, some experts fear the repression will return, too.

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Stigmatisierende Sondermaßnahmen gegen Roma: Der kollektive Virus-Verdacht

Viele Roma sind wegen ihrer ärmlichen Lebens- und Wohnbedingungen in der Coronakrise besonders gefährdet. Doch statt staatlicher Hilfe erleben sie derzeit eine doppelte Diskriminierung.

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Ulmer Gericht benennt Antiziganismus als Tatmotiv für Brandanschlag

Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erklärt zum heutigen Urteil des Landgerichts Ulm im Verfahren wegen versuchten Mordes gegen fünf junge Männer, die im Mai 2019 in Dellmensingen (Alb-Donau-Kreis) einen Brandanschlag auf eine Roma-Familie verübt haben:

„Das Gericht benennt in der Urteilsverkündung Rassismus und Antiziganismus als Tatmotiv. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht in dem Prozess ein deutliches Signal, dass der Rechtsstaat die Bedrohung des gewaltbereiten Antiziganismus ernst nimmt und jede Form von Hasskriminalität konsequent verfolgt. Die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaats wird in diesem Gerichtsprozess deutlich.“

Vor dem Hintergrund zahlreicher rechtsextremer Anschläge im letzten Jahr macht Romani Rose deutlich:
„Wir dürfen diese Gewalt des Rechtsextremismus nicht weiter verharmlosen. Die Anschläge von Halle, Hanau und München, wie auch die Morde des NSU sind Beispiele genug, die uns die Gefahren durch rechten Terrorismus vor Augen führen. Deshalb ist der Widerspruch unserer Gesellschaft unerlässlich, um Antiziganismus, Antisemitismus und Rassismus zu ächten. Sicherheitsbehörden und Justiz tragen aus Sicht des Zentralrats für den Zusammenhalt der Gesellschaft und für das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat eine große Verantwortung.“

Bereits die Anklage durch die Staatsanwaltschaft und das heutige Gerichtsurteil machen deutlich, dass dieser Mordanschlag mit dem Tod einer jungen Mutter und ihres Kleinkindes hätte enden können. Der Zentralrat begrüßt, dass das Gericht darüber hinaus die Tat der vollendeten Nötigung in 45 Fällen festgestellt hat. Denn alle Menschen auf dem Campingplatz sind Opfer des Anschlags geworden. Sie sind in Panik und in Sorge um ihr Leben geflohen.

Ebenso wichtig war es, dass bereits mit Beginn der polizeilichen Ermittlungen die antiziganistische Tatmotivation der Angeklagten und deren rassistisches und neonazistisches Weltbild klar benannt wurden. Das Landgericht Ulm hat bereits während der Beweisaufnahme diesem Aspekt breiten Raum eingeräumt und die antiziganistische Stimmung in der Dorfgemeinschaft mit in die Ermittlungen einbezogen.

Quelle: Zentralrat deutscher Sinti und Roma

Stand: 06.10.2020

Brandanschlag auf Roma: Urteil nächste Woche erwartet

Im Verfahren um den Brandanschlag auf den Wohnwagen einer Roma-Familie am Landgericht Ulm soll am kommenden Mittwoch das Urteil fallen. Plädoyers und Beweisaufnahme seien abgeschlossen, sagte ein Gerichtssprecher am Mittwoch. Angeklagt sind fünf junge Männer wegen versuchten Mordes und Brandstiftung. Aufgrund der Ergebnisse der Beweisaufnahme hatte das Gericht bereits während des laufenden Verfahrens die Haftbefehle gegen vier der Angeklagten aufgehoben und darauf hingewiesen, dass auch eine Verurteilung nur wegen gemeinschaftlich begangener Nötigung möglich sei. Ein rassistisches Motiv wird nicht ausgeschlossen.

Die Deutschen im Alter zwischen 18 und 20 Jahren sollen laut Anklage am 24. Mai 2019 eine Fackel aus einem fahrenden Auto auf den Wohnwagen der Roma-Familie geworfen haben, der auf einer Wiese in Erbach (Alb-Donau-Kreis) stand. In dem Fahrzeug, das nur knapp verfehlt wurde, war eine schlafende Frau mit ihrem neun Monate alten Sohn.

Die Männer hatten zum Prozessbeginn die Tat unter Vorbehalt gestanden und sich entschuldigt. Sie hätten nie jemanden verletzen wollen. Die Verteidigung forderte laut Gerichtssprecher am Mittwoch für vier ihrer fünf Mandanten eine mögliche Verurteilung nach Jugendstrafrecht aufzuschieben. Damit wären sie mindestens ein Jahr, höchstens zwei Jahre auf Bewährung. Derzeit könne nicht sicher beurteilt werden, ob bei den Angeklagten schädliche Neigungen vorhanden seien. Bei einer weiteren Straftat in dieser Zeit würden sie auch für den Fackelwurf zu einer Jugendstrafe verurteilt werden. Für den fünften Angeklagten, der von Anfang an Angaben zu der Tat machte und sich auch nicht in Untersuchungshaft befand, forderte die Verteidigung nicht mehr als eine Verwarnung oder Auflagen.

Die Nebenklage hatte sich bei allen Angeklagten für Jugendstrafe ausgesprochen und war laut dem Sprecher der Ansicht, diese könne nur bei einem zur Bewährung ausgesetzt werden. Ob die Nebenklage von einem versuchten Mord oder lediglich einer Nötigung ausging, ließ sie demnach offen. Die Staatsanwaltschaft hatte letzte Woche bei ihrem Plädoyer Haftstrafen zwischen vier Jahren und zwei Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Mordes gefordert sowie eine Bewährungsstrafe.

Quelle: Stimme.de

Stand: 06.10.2020

Antiziganismus in Ungarn – Staatliche Schikane und strukturelle Diskriminierung

Antiziganismus, der strukturelle Hass und die strukturelle Diskriminierung von Sinti und Roma nimmt in ganz Europa zu. In Ungarn, wo Romnja und Roma seit Jahrhunderten leben, ist der Antiziganismus einerseits ein kulturelles Erbe, das nicht „aufgearbeitet“ wurde. Anderseits wird er seit 2010 von der Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán stark begefeuert. Die strukturelle Diskriminierung der Romnja und Roma wird dabei verschärft durch die so genannte „Roma-Strategie“ der Regierung aus dem Jahr 2011. Nicht selten fordert der tiefsitzende Antiziganismus in der Gesellschaft Opfer und Romnja und Roma werden von paramilitärischen Organisationen ermordet.

Adèle Cailleteau hat mit der Kulturwissenschaftlerin Magdalena Marsovszky über Antiziganismus in Ungarn gesprochen.

Quelle und Audiobeitrag: Radio Dreyeckland

Stand: 29.07.2020

„Unser Dorf ist rechts“

In Heidelberg und Ulm laufen aktuell mehrere Gerichtsverfahren wegen Straftaten, bei denen eine rassistische Motivation vorliegt. An ihnen wird deutlich, welches Ausmaß rechte Gewalt in Baden-Württemberg hat.

Sechs junge Männer müssen sich aktuell vor dem Landgericht Heidelberg verantworten, weil sie bei einem Junggesellenabschied im September 2018 auf türkisch- und portugiesischstämmige Gäste einer Eisdiele in Wiesloch (Rhein-Neckar-Kreis) eingeschlagen haben sollen. Mehrere Besucher des Eiscafés erlitten bei dem brutalen Angriff Prellungen und Hautabschürfungen, einem Vater wurde eine Bierflasche auf dem Kopf zerschlagen. Laut Zeugen sollen die Angeklagten „Heil Hitler“ gerufen und den Hitler-Gruß gezeigt haben. Aufgrund von Hygienemaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie stand zunächst nur die eine Hälfte der Angeklagten – drei Brüder – vor Gericht. Sie haben die Tat gestanden, den politischen Hintergrund der Tat leugnen sie jedoch. Demnach wären die rechten Parolen von den anderen drei Verdächtigten gerufen worden, die erst in ein paar Monaten vor dem Richter erscheinen müssen.

Unter den mutmaßlichen Tätern befindet sich auch ein Mann, der zum Zeitpunkt des Angriffs als Mechaniker bei der Polizei angestellt war. Der Polizeimitarbeiter ist nach Angaben des Innenministeriums mit sofortiger Wirkung freigestellt und von sämtlichen Aufgaben entbunden worden. Neben dieser Verbindung eines Angeklagten in den Polizeiapparat sollte vor allem alarmieren, dass die Medien nach der Tat meist über eine „Massenschlägerei“ berichtet haben. Bei den LeserInnen konnte so der Eindruck entstehen, dass ein Teil der Schuld auf Seiten der Opfer zu finden sei. Der erste Prozesstermin hat diese Darstellung eindeutig widerlegt. Trotzdem ist in der Berichterstattung des SWR noch immer die Rede von einer Schlägerei und nicht konsequent von einem rassistisch motivierten Angriff.

„Die denken alle so“

Ende Mai 2019 standen auf einer Wiese am Ortsrand von Erbach-Dellmensingen bei Ulm mehrere Wohnwagen, die von Roma-Familien bewohnt wurden. Gegen 23 Uhr ist aus einem Kleinwagen eine brennende Fackel auf einen Wohnwagen geschleudert worden, in dem eine junge Frau mit ihrem Kleinkind geschlafen hat. Die Insassen des Autos sollen dabei „Zigeuner, ihr seid hier nicht willkommen“ gerufen haben. Da die brennende Fackel ihr Ziel knapp verfehlte, wurde kein Schaden angerichtet. Wegen versuchten Mordes müssen sich für diese Tat seit vergangener Woche fünf junge Männer vor der Jugendkammer des Landgerichts Ulm verantworten.

Die Angeklagten, von denen vier weiterhin in Untersuchungshaft sitzen, sollen der Fanszene des Fußballvereins SSV Ulm 1846 angehören. Dort wurde vom Fanclub Donau Crew (DC08) bei einem Pokalspiel gegen den 1. FC Heidenheim ein Solidaritäts-Banner mit der Aufschrift „Eingesperrte immer bei uns, stark bleiben Jungs! DC08“ hochgehalten. Dieses Banner wurde kurz nach der Verhaftung der jungen Männer gezeigt, die für den Brandanschlag verantwortlich sind. Am ersten Verhandlungstag haben die Verdächtigen ihre Tat gestanden, den politischen Hintergrund jedoch relativiert. Ebenso unglaubwürdig wie diese Distanzierung von rechten und rassistischen Einstellungen wirkt auf die Beobachter des Prozesses auch die Behauptung, die Gruppe hätte ihre Fackel bewusst auf die Wiese geworfen, den Wohnwagen somit absichtlich verfehlt.

Als die Angeklagten mit Bildern aus ihren Handys konfrontiert werden, auf denen sie vor einer Flagge des deutschen Reiches den Hitlergruß zeigen, meint einer der jungen Männer, dass vergleichbare Aufnahmen bei jedem Zweiten im seinem Dorf zu finden seien. Laut Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, haben die Täter bewusst das Ziel verfolgt, die Roma-Familien aus der Ortschaft zu vertreiben. Dabei habe die Dorfgemeinschaft eine zentrale Rolle gespielt: „Der Brandanschlag basiert auf pauschalen und platten Vorurteilen über Sinti und Roma, die in der Dorfgemeinschaft zirkulieren. In Erbach-Dellmensingen ist Antiziganismus in der Mitte der Gesellschaft verankert. Einer der Angeklagten hat offen gesagt: ‚Unser Dorf ist rechts. Die denken alle so.‘ Somit haben die jungen Leute im Grunde jene Erwartungshaltung umgesetzt, die von der Dorfgemeinschaft an sie gerichtet wurde.“

Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert, dass antiziganistische Straftaten besser dokumentiert und verfolgt werden. So sei die Hemmschwelle, Sinti und Roma in Deutschland anzugreifen, sehr niedrig. Dennoch wird Antiziganismus – die Ablehnung von Sinti und Roma – erst seit drei Jahren als eigenständige Kategorie in der polizeilichen Statistik für politisch motivierte Kriminalität erfasst. Seitdem sind die Fallzahlen kontinuierlich angestiegen, Daniel Strauß weist jedoch auf ein großes Dunkelfeld hin. Um Vorurteile gegenüber Sinti und Roma abzubauen, bedarf es aus seiner Sicht einer intensiveren Verankerung des Themas im Lehrplan: „Neben dem nationalsozialistischen Völkermord an den Sinti und Roma und dem gegenwärtigen Antiziganismus müssen an den Schulen auch die geschichtlichen und kulturellen Leistungen der Minderheit thematisiert werden, damit andere Bilder über Sinti und Roma entstehen. Die jungen Leute, die in Ulm vor Gericht stehen, haben die pauschalsten und plattesten Vorurteile im Kopf.“

Schüsse auf eine Gruppe nigerianischer Männer

Wegen gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Besitz von Munition lief am vergangenen Freitag vor dem Amtsgericht Ulm ein weiteres Verfahren. Angeklagt war ein 51-jähriger Mann, der im August vergangenen Jahres vor dem Bürgerhaus Mitte in der Ulmer Schaffnerstraße ein Treffen nigerianischer Männer attackierte. Bis zu dieser Tat war er als Bote der Stadtverwaltung tätig. Bewaffnet hatte er sich laut Augenzeugen mit einem Schlagring, einem Messer und einer Druckluftpistole, mit der er auf einen Deutschen nigerianischer Herkunft geschossen hat. Der Betroffene, der von seinen Freunden Toy genannt wird, wurde dabei an der Schulter verletzt.

Schon zuvor war der mutmaßliche Täter vor Ort mit rassistischen Äußerungen und Drohungen gegen Migranten aufgefallen. Gegenüber einer Mitarbeiterin des Bürgerhauses hat er unter anderem mit einer Rockergang gedroht, wenn sich weiterhin migrantische Gruppen in den Räumlichkeiten des Gemeindezentrums treffen sollten. Für diese Taten wurde er zu 15 Monaten Haft auf Bewährung und 500 Euro Schmerzensgeld verurteilt. In die Urteilsfindung hat der Richter die politische Ausrichtung des Täters einbezogen, bei dem unter anderem eine Reichskriegsflagge und CDs von rechten Bands gefunden wurden. Obwohl der Täter nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, zeigt sich Toy mit der Entscheidung des Gerichts zufrieden. Angesichts seiner körperlichen Schäden hätte er sich jedoch ein deutlich höheres Schmerzensgeld gewünscht.

Da der Täter noch heute in unmittelbarer Nachbarschaft des Bürgerhauses wohnt, sorgen sich manche Nutzer vor weiteren Angriffen. Einige Teilnehmer der nigerianischen Gruppe haben die Gruppe sogar zwischenzeitlich verlassen, auch über räumliche Ausweichmöglichkeiten ist innerhalb der Gruppe diskutiert worden. Toy berichtet davon, dass er nach dem Vorfall große Angst gehabt habe, vor die Tür zu gehen. Trotzdem wolle er sich weiterhin im Bürgerhaus mit seinen Freunden treffen. „Wenn wir uns einen anderen Ort für unser Treffen suchen, hat der Täter sein Ziel erreicht“, meint er. Um dies zu verhindern, habe er sich mit seinen Freunden gegenseitig Mut gemacht, auch vom Bürgerhaus und antirassistischen Initiativen habe er viel Unterstützung erhalten.

Beobachtet wurde der Prozess von Mitgliedern der Initiative Schaffnerstraße, die sich für eine umfassende Aufklärung der Tat einsetzen. Sie kritisieren, dass die rassistische Tatmotivation in der ersten Pressemitteilung der Polizei nicht benannt wurde. Dort ist zunächst nur die Rede von einem Mann, der sich am Lärm durch eine Feier im Bürgerhaus gestört gefühlt habe. Diese Darstellungsweise wurde von einigen Medien zunächst ungeprüft wiedergegeben. Sowohl die rassistischen Äußerungen im Vorfeld der Tat wie auch der gezielte Angriff gegen Migranten sind darin nicht thematisiert worden. Aus einem Angriff, den die Betroffenen als rassistisch motiviert wahrnehmen, wurde demnach ein unpolitischer Streit über eine Ruhestörung.

Rassismus und rechte Gewalt klar benennen

Es sind häufig zivilgesellschaftliche Gruppen wie die Initiative Schaffnerstraße, die dafür sorgen, dass der politische Hintergrund in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dabei gab es bei allen drei rassistischen Gewalttaten, die nun in Baden-Württemberg zu Gerichtsprozessen geführt haben, von Anfang an genügend Anzeichen für eine politische Tatmotivation.

Gut darauf geachtet wurde beim Brandanschlag in Erbach-Dellmensingen, bei dem Polizei und Medien von Beginn an auf die antiziganistische Motivation hingewiesen haben. Nur wenn die politische Dimension einer Tat im Gerichtsverfahren deutlich wird, können die Gerichte die rassistischen Beweggründe strafverschärfend in ihre Urteilsfindung einbeziehen – wie es laut Strafgesetzbuch bereits seit Jahren der Fall sein soll.

Quelle: Kontext Wochenzeitung

Stand: 20.06.2020

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Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert lückenlose Aufklärung von Polizeigewalt gegen eine Roma Familie in Freiburg

Am Dienstag, dem 28. April 2020, wurden in der Nähe von Freiburg bei einem Einsatz von Polizei- und Ordnungsamt Angehörige einer Roma Familie zum Teil schwer verletzt. Ein 48-jähriger Familienvater erlitt schwere Verletzungen durch Bisse eines Polizeihundes, zwei Frauen und ein weiterer Mann wurden durch Schläge verletzt. Der Polizeieinsatz erfolgte anlässlich einer Bagatelle, bei der es um eine Parkplatzfrage vor der Haustür der Geschädigten gegangen sein soll. Die beteiligten Beamten sollen von Beginn an aggressiv aufgetreten und die Situation vorsätzlich eskaliert haben, in dessen Verlauf ein Polizeihund auf den Mann gehetzt und seine Familienangehörigen mit Faustschlägen traktiert worden seien. Die Verletzungen wurden in einem Krankenhaus behandelt und dokumentiert. Continue reading Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert lückenlose Aufklärung von Polizeigewalt gegen eine Roma Familie in Freiburg