Altlasten des »Euromaidan«

In der Ukraine treibt die Neonazitruppe »C 14« ihr Unwesen – und wird möglicherweise vom Geheimdienst SBU unterstützt

Ihre Spezialität sind Videos der eigenen Gewaltakte. Im Februar schlugen sie zwei junge Kommunisten zusammen, die in Kiew Plakate klebten, und filmten das: »Entschuldige dich vor dem ukrainischen Volk«, schrien sie die Opfer vor den nächsten Fußtritten an. 2017 attackierten sie den Kriegsgegner Ruslan Kozaba vor seiner Wohnung; vor zwei Wochen begossen sie die Vorsitzende der »Progressiven Sozialistischen Partei«, Natalija Witrenko, mit weißer Farbe; vergangene Woche vertrieben sie Roma vom Kiewer Hauptbahnhof und »säuberten« anschließend ein Lager von Roma am Stadtrand. Etwa 200 Frauen und Kinder wurden vertrieben, die Zelte wurden zur »Müllbeseitigung« in Brand gesteckt. Es fällt auf, dass die Aktivisten der Gruppe »C 14« sich keine besondere Mühe geben, ihre Gesichter zu verbergen; sie scheinen sicher zu sein, dass ihnen von seiten der Staatsmacht nichts droht.

Woher der Name »C 14« kommt, ist nicht klar; ukrainische Antifaschisten bringen die 14 in Verbindung mit dem »Manifest der 14 Worte«, das aus der »White Supremacy«-Bewegung kommt. Das C – beziehungsweise S, wenn man es kyrillisch liest – wird jedoch dadurch nicht erklärt. Auf Englisch gelesen könnte die Gruppe »Combat 14« heißen – abgewandelt von »Combat 18«, dem bewaffneten Arm der »Blood and Honour«-Bewegung. Die Ziffern beziehen sich auf den ersten und achten Buchstaben des lateinischen Alphabets und damit auf die Initialen Adolf Hitlers.

Nach Angaben der ukrainischsprachigen Wikipedia-Seite über »C 14« entstand die Truppe 2009 durch Unterwanderung einer Gruppierung, die eine Art Häuserkampf gegen die Gentrifizierung von Kiewer Wohnbezirken und für den Erhalt des architektonischen Erbes führte. Im Ergebnis zerstritt sich die ursprünglich eher linke Basisbewegung und stellte ihre Aktivitäten ein. Das könnte die Absicht gewesen sein. Und ohne Sponsoren kann sich eine solche Bewegung in der Ukraine nicht lange halten.

Während der Ausschreitungen bei den »Euromaidan«-Protesten ab Ende 2013 bildeten Aktivisten von »C 14« eine eigene »Selbstverteidigungshundertschaft« und beteiligten sich an militanten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Interessant ist, dass die Aktivisten laut einem eigenen Youtube-Video in der Endphase des Euromaidan, als die Gewalt eskalierte und nicht klar war, ob nicht doch die Staatsmacht gewinnen würde, den Maidan verließ und in der kanadischen Botschaft in Kiew Zuflucht fand. Ein weiterer Hinweis darauf, dass es Interessenten gab und gibt, denen eine rechte »Putztruppe« mit diffus nationalistischer Ideologie, aber ohne ein politisches Programm, das über »direkte Aktion« hinausgeht, gelegen kommt. Aktuell scheint »C 14« mit dem ukrainischen Geheimdienst SBU zusammenzuarbeiten. Da dieser dem Präsidenten untersteht, nennen russische Medien »C 14« gelegentlich die »Poroschenko-Jugend«. Ihre Aktivitäten umfassen neben direkter Gewalt das ganze Spektrum nationalistischen Symbolhandelns, etwa das Beschmieren russischer Konsulate und sowjetischer Denkmäler sowie Kraft- und Kampfsporttraining zwischen den Aktionen.

»C 14« ist dabei nicht die einzige militante Naziorganisation, die gegenwärtig die Ukraine unsicher macht. Seit einigen Monaten macht eine »Nationale Gefolgschaft« (nacionalna druzhyna) durch öffentliche Pöbeleien und Angriffe auf Menschen, die in der Öffentlichkeit Alkohol trinken, von sich reden. Hinter dieser Truppe steht nach Recherchen ukrainischer Medien das Neonazibataillon »Asow«, das im Sommer 2017 eine zivile Frontorganisation namens »Nationales Korps« gegründet hat, deren Jugendabteilung die »Gefolgschaft« zu sein scheint. Hauptfinanzier des Bataillons ist der ukrainische Innenminister Arsen Awakow, der sich damit ein zweites politisches Standbein als nationalistischer Warlord verschafft hat – eine Absicherung für den Fall, dass seine geschäftlichen Konflikte mit Präsident Petro Poroschenko eines Tages dazu führen sollten, dass dieser ihn vor die Kabinettstür setzt. Bei den Aktionen der »Gefolgschaft« fällt auf, dass die Awakow unterstehende Polizei auch dann wegschaut, wenn die Schläger mitten in Kiew Jugendliche nur dafür verprügeln, dass sie auf der Straße abhängen und dabei Bier trinken. Um den »Rechten Sektor« ist es dagegen still geworden, seitdem dessen Hauptsponsor Igor Kolomojskij politisch und finanziell entmachtet wurde.

Dass diese rechten Schlägerbanden in der Ukraine keine Rekrutierungsschwierigkeiten haben, ist kein Wunder. 2014 hatte die neue Staatsmacht inhaftierten Kriminellen Straferlass versprochen, wenn diese für sie in den Krieg zögen. Das aus diesem Milieu zusammengesetzte Bataillon »Aidar« fiel 2015 sogar Amnesty International negativ auf. Der Krieg hat dazu geführt, dass große Teile der jüngeren Generation verroht und gewaltbereit sind, während gleichzeitig aus dem Donbass zurückkehrende ehemalige Soldaten keine Perspektiven für eine Rückkehr ins zivile Leben haben. Der Schwarzmarkt für Waffen und Sprengstoff blüht. Inzwischen stellt das eine ernsthafte Gefahr für das staatliche Gewaltmonopol dar; dieser Tage beschwerte sich eine Unterstützerin der Faschistengruppe UNA/UNSO auf Facebook darüber, dass bei deren Ankunft in der Westukraine die Militärpolizei die »Helden« auf ein Rangiergleis dirigiert und bis auf die Unterhose gefilzt habe.

Quelle: junge Welt
Stand: 26.06.2018