Rechtsextreme Hetze in Halle: Die Silberhöhe brodelt

In Halle-Silberhöhe brodelt es. Seit rund drei Monaten leben Roma-Familien in der Plattenbausiedlung. Rechtsextreme hetzen gegen die Zuwanderer, doch Anwohner formieren sich gegen die Nazis.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich Halle-Silberhöhe kaum von anderen Plattenbausiedlungen, die nach 1990 in ostdeutschen Städten saniert wurden. Doch hinter den hellen Fassaden brodelt es. Seit etwa einem Vierteljahr leben in einer Straße des Stadtteils 40 Roma-Familien, Wand an Wand in einem langen Wohnblock, mit Nachbarn, die teils seit Jahrzehnten in dem Viertel leben. Verständigen können sie sich kaum, Sprache und Kultur der jeweils anderen sind zu fremd, wie einige Menschen vor Ort berichten. Rechtsextreme missbrauchen die Lage nun für ihre Zwecke. „Im Internet kursiert, dass sich eine Bürgerwehr in Halle-Silberhöhe gründen will“, sagt Christof Starke, Sprecher des Bündnisses gegen Rechts. Dagegen und gegen sämtliche anderen Vorurteile gegen Menschen aus anderen Ländern und Kulturen gelte es ein deutliches Zeichen zu setzen. Dem Bündnis gehören rund 30 Organisationen und 60 Einzelpersonen an.

Auf der Straße ist in Halle-Silberhöhe von einer Bürgerwehr nichts zu sehen. Die Polizei bestätigt aber, dass es einen entsprechenden Aufruf zur Gründung via Internet in Facebook-Foren und auch rechte Parolen gibt. „Wir beobachten das alles sehr, sehr genau“, sagt eine Sprecherin. Die Polizei lehne eine Bürgerwehr und damit Selbstjustiz klar ab. Die Polizei ist nun häufiger in Halle-Silberhöhe unterwegs, zudem ermittelt sie wegen Volksverhetzung und Beleidigung in mehreren Fällen.

Angriff auf 26-jährigen Rumänen

Zuletzt hatte ein Angriff auf eine 26-Jährigen aus Rumänien und ihren erst zwei Jahre alten Sohn für Empörung auch bei den Nachbarn gesorgt. Kinder sollen die Mutter und ihren Sohn am hellichten Tage angespuckt haben.

Die Roma-Familien seien im Zuge der neuen EU-Regelungen zur Öffnung des Arbeitsmarktes aus Osteuropa nach Deutschland gekommen, erklärt die Stadt. Die kommunale Wohnungsgesellschaft HWG bot ihnen die Wohnungen in der Silberhöhe an. In der Nähe gibt es eine Schule, Kindereinrichtungen mit Freizeit- und Hilfsangeboten, Einrichtungen von Wohlfahrtsorganisationen.

Die Wohnungsgesellschaft hat ein Büro mit einem Ansprechpartner eingerichtet, eine Dolmetscherin hält Kontakt zu den Familien. Die Stadt bietet nach eigenen Angaben Hilfen wie Sprachkurse und regelmäßige konkrete Unterstützung vor Ort an, auch für Formalitäten in sieben Sprachen. Es gebe viele Bemühungen. „Und nicht die ganze Silberhöhe ist fremdenfeindlich, das sind Einzelne, die versuchen, die Situation hochzupushen“, sagt Bündnis-Sprecher Starke. Selbst ernannte Ordnungshüter sorgen in Deutschland immer wieder für Schlagzeilen. In Berlin hatte 2013 die rechtsextreme NPD einen Aufruf gestartet, eine Bürgerwehr gegen ein Flüchtlingsheim im Stadtteil Hellersdorf zu gründen. Nach Angaben des Senats blieb dies aber ohne Resonanz. In Regionen nahe der Grenze kocht das Thema immer wieder auf, weil die Menschen sich nicht ausreichend von der Polizei beschützt fühlen.

„Das größte Handicap im Zusammenleben ist die Sprache“, sagt Thomas Keindorf, Sprecher des Forums Silberhöhe. Dem Gremium gehören nach seinen Angaben Vertreter von Initiativen, Kirchen, des Einzelhandels und einzelne Bürger an. Rund 13.000 Menschen, darunter 660 Ausländer (5,8 Prozent) – wohnen in Halle-Silberhöhe – es waren einmal 40.000.

Halle insgesamt hat rund 233.000 Einwohner und mit knapp 11.300 Menschen einen Ausländeranteil von 4,9 Prozent. Die Silberhöhe gilt neben Halle-Neustadt als ein sozialer Brennpunkt. Die Plattenbausiedlungen waren nach 1990 besonders von Abwanderung junger Leute, Arbeitslosigkeit, Wohnungs-Leerstand und -Abriss betroffen. Eine Zunahme von Straftaten hat die Polizei dort im Vergleich zum Vorjahr bisher nicht registriert. „Die Silberhöhe war aber schon immer besser als ihr Ruf“, sagt Keindorf, der auch Präsident der Handwerkskammer Halle und CDU-Landtagsabgeordneter ist. „Sehen Sie hier etwa jemanden ins Gebüsch pinkeln, betteln, oder liegt hier Müll auf dem Rasen rum?“, sagt ein Mann in Latzhose vor dem Haus der Roma-Familien zu Klischees. „Man hat die Leute hier einquartiert, dann muss man sich auch um sie kümmern“, sagt der Nachbar und winkt einer jungen Mutter aus Rumänien zu. Sie winkt zurück, als sie die Haustür schließt.

Quelle: N24
Stand: 21.09.2014