»Laßt uns Fackeln bauen«

Halle (Saale): Rassistische »Bürgerwehr« gegen Roma patrouilliert im Stadtviertel »Silberhöhe« und mobilisiert im Internet zu Pogromen

Erst Hetzparolen, dann ein Übergriff: In der Silberhöhe, einem Wohngebiet im sachsen-anhaltischen Halle (Saale), eskaliert der Fremdenhaß. Jetzt hat sich eine »Bürgerwehr gegen Roma« formiert, die ankündigt, regelmäßig »Streife« zu laufen. Das Bündnis »Halle gegen rechts« will nicht länger hinnehmen, »daß selbsternannte Ordnungshüter versuchen, andere Menschen zu bedrohen und anzugreifen«. Mit einer Demonstration unter dem Motto »Für Solidarität und Mitgefühl mit den Betroffenen rassistischer Gewalt« wollte das Bündnis gestern abend einem rassistischen »Rundgang« Kontra bieten und die Migranten schützen. Solche Szenen könnten sich nun Woche für Woche wiederholen.

Die Wohnungen in der Silberhöhe sind billig. Zu DDR-Zeiten lebten dort fast 40000 Menschen, vor allem Chemiearbeiter. Verblieben sind etwa 13000. Seit Jahren gilt das Plattenbauviertel als sozialer Brennpunkt. Als im April dieses Jahres 40 Familien aus Rumänien zuzogen, begann ein rassistischer Mob zu toben, zunächst im sozialen Netzwerk Facebook. Seit Anfang Juli existiert dort eine Gruppe namens »Bürger der Silberhöhe setzen sich zur Wehr«. Unter den inzwischen 674 Anhängern sind auch bekannte Neonazis. Die Gruppe ruft zum »Widerstand« gegen die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) und die Roma auf. Der Stadtteil werde »mit Imigranten förmlich überschüttet« (Rechtschreibfehler im Original), heißt es. Und: Die Roma produzierten Müll, sorgten für Lärm und Diebstähle, bedrohten Anwohner.

Anfangs wurde in dem Forum ganz offen vom Leder gezogen, die Fremden wurden als »Viehzeug« und noch Schlimmeres beschimpft. Seit sich im August Behörden eingeschaltet haben, hetzen die Rassisten nichtöffentlich, inzwischen auch in einer zweiten Gruppe namens »Bürgerwehr Silberhöhe« mit knapp 100 Mitgliedern. Man wolle zeigen, »das wir es ernst meinen und wenns nötig ist, selbst darum kämpfen für Recht und Ordnung auf unseren Straßen!« (Originalzitat) Eine kürzlich von jenen Akteuren initiierte Onlinepetition gegen angeblich durch Roma verschlechterte Wohnbedingungen in Halle-Silberhöhe wurde wegen Beleidigung, Herabwürdigung und Diskriminierung bereits gestoppt und gelöscht. Nun ruft die »Bürgerwehr« zu »Kontrollgängen« im Wohngebiet auf. Für Gewaltpropaganda bedient sie sich auch der öffentlichen Gruppe »Halle/Saale Silberhöhe-Treffpunkt« mit mehr als 6000 Mitgliedern. So hetzte ein Nutzer am Dienstag: »Das Pack soll sich verpissen und alle Biofresser die dafür sind gleich mit.« Ein weiterer schlug vor: »Laßt uns Fackeln bauen wie früher!« Und ein Dritter drohte: »Morgen ist Silvester.«

Vor einer Woche hatte sich der Haß in einem Angriff entladen: Laut Polizei beleidigte eine Gruppe Kinder und Jugendliche eine 26jährige Frau mit rassistischen Parolen und bespuckte sie. Anschließend hätten die etwa Neun- bis Dreizehnjährigen ihren zweijährigen Sohn mit einem Gegenstand ins Gesicht geschlagen. Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung und Volksverhetzung. Die örtlichen Behörden sind mit den Zuständen offenbar überfordert. Ein Sprecher der Stadt Halle verurteilte den Angriff und betonte, Ziel sei ein friedliches Miteinander. Man werde gegen die feindliche Stimmung vorgehen, versprach er. Die Polizei veröffentlichte eine Statistik gegen die Anwürfe, die Zahl der Straftaten sei »durch die Roma rapide angestiegen«. Danach registrierte sie von Januar bis August 2014 in dem Stadtteil 223 Diebstähle. Das waren gerade 22 mehr als im gleichen Zeitraum 2013. Die Zahl der Bedrohungen oder Nötigungen sei gar zurückgegangen. Nach 48 Vorfällen dieser Art im ersten Halbjahr 2013 seien 2014 bisher nur 35 angezeigt worden.

Für das Bündnis »Halle gegen rechts« ist die Attacke auf die Mutter und ihr Kleinkind nur »der bisherige Höhepunkt der Eskalation«. Lediglich zwei Tage danach habe die »Bürgerwehr« ihren »Rundgang« für den gestrigen Mittwoch und weitere wöchentliche Aufmärsche verkündigt, konstatierten die Antifaschisten. Außerdem tauchten immer mehr Schmierereien mit rassistischen und NS-verherrlichenden Inhalten in dem Viertel auf. »Wir zeigen uns solidarisch mit den rumänischen Familien und allen Betroffenen rassistischer und antiziganistischer Hetze und Gewalt«, erklärte das Bündnis.

Quelle: junge Welt
Stand: 18.09.2014

»Laßt uns Fackeln bauen«

Halle (Saale): Rassistische »Bürgerwehr« gegen Roma patrouilliert im Stadtviertel »Silberhöhe« und mobilisiert im Internet zu Pogromen

Erst Hetzparolen, dann ein Übergriff: In der Silberhöhe, einem Wohngebiet im sachsen-anhaltischen Halle (Saale), eskaliert der Fremdenhaß. Jetzt hat sich eine »Bürgerwehr gegen Roma« formiert, die ankündigt, regelmäßig »Streife« zu laufen. Das Bündnis »Halle gegen rechts« will nicht länger hinnehmen, »daß selbsternannte Ordnungshüter versuchen, andere Menschen zu bedrohen und anzugreifen«. Mit einer Demonstration unter dem Motto »Für Solidarität und Mitgefühl mit den Betroffenen rassistischer Gewalt« wollte das Bündnis gestern abend einem rassistischen »Rundgang« Kontra bieten und die Migranten schützen. Solche Szenen könnten sich nun Woche für Woche wiederholen.

Die Wohnungen in der Silberhöhe sind billig. Zu DDR-Zeiten lebten dort fast 40000 Menschen, vor allem Chemiearbeiter. Verblieben sind etwa 13000. Seit Jahren gilt das Plattenbauviertel als sozialer Brennpunkt. Als im April dieses Jahres 40 Familien aus Rumänien zuzogen, begann ein rassistischer Mob zu toben, zunächst im sozialen Netzwerk Facebook. Seit Anfang Juli existiert dort eine Gruppe namens »Bürger der Silberhöhe setzen sich zur Wehr«. Unter den inzwischen 674 Anhängern sind auch bekannte Neonazis. Die Gruppe ruft zum »Widerstand« gegen die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG) und die Roma auf. Der Stadtteil werde »mit Imigranten förmlich überschüttet« (Rechtschreibfehler im Original), heißt es. Und: Die Roma produzierten Müll, sorgten für Lärm und Diebstähle, bedrohten Anwohner. Continue reading »Laßt uns Fackeln bauen«