„Nicht die Roma sind für ihr schlechtes Image verantwortlich“

Was passiert in Miskolc?

Ich bin überzeugt davon, dass in Miskolc eine profitorientierte Rassenverfolgung stattfindet. Eine diskriminierende Politik, die im Zusammenhang mit einem Spekulationsgeschäft steht. Die Sanierung des DVTK Stadions bedeutet für die Machthaber eine große wirtschaftliche Chance, das Armenviertel, das im Volksmund nur als die „nummerierten Straßen“ genannt wird, steht dem Vorhaben jedoch im Weg. Man hat in der ganzen Stadt eine romafeindliche Stimmung generiert, in der die Vertreibung der Roma als vermeintliche Lösung der Probleme erscheint.

Manche sagen, dass sich die Menschen in Miskolc lediglich eine Verbesserung der öffentlichen Sicherheit wünschen.

Die öffentliche Sicherheit in Miskolc verbessert sich stetig, das zeigen die Statistiken. Das Problem ist vielmehr, dass man versucht, die kulturellen Konflikte, die durch Ausgrenzung, Armut und Aussichtslosigkeit entstehen, als Roma-Problem darzustellen. Ein Teil der Gesellschaft ist unzivilisiert, weil sie in einer unzivilisierten Umgebung lebt. Menschen, die sich in der Gesellschaft etablieren konnten, Roma oder nicht Roma, tragen überwiegend die gleichen kulturellen Züge, im Gegensatz zu Roma, die nicht arbeiten dürfen, in eine prekäre Lebenslage getrieben, aus der Gesellschaft ausgegrenzt und ihres Selbstbewusstseins beraubt wurden.

Die Regierung versucht die Roma mithilfe gemeinnütziger Arbeit wieder in die Gesellschaft einzubinden.

Die herrschende Klasse hat in den letzten 25 Jahren keine einzige ernstzunehmende Maßnahme getroffen, um den Roma den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Diese kommunalen Beschäftigungsprogramme konservieren lediglich ihre Außenseiterrolle, die feudalen Zustände. Die Regierung hat den Kommunen alle Zuständigkeiten weggenommen, ausgenommen die Sozialhilfe und die gemeinnützige Arbeit. So können die machtbesessenen Bürgermeister ihre feudalen Triebe nur noch an den Ärmsten der Armen auslassen. Wirtschaftspolitisch spricht jedenfalls nichts dafür, es ist eine Art Zwangsarbeit. Die 49.000 Forint monatliche Entlohnung, die ein Arbeiter bekommt, kostet den Staat 150.000 Forint, die Kosten übersteigen den Wert ihrer Arbeit bei weitem.

Sándor Pintér verteidigte die Einführung der kommunalen Beschäftigungsprogramme auch nicht mit deren wirtschaftlichem Nutzen, sondern dass es schlicht nicht weiter tragbar sei, wenn gesunde und lebenskräftige Menschen über mehrere Generationen nicht arbeiteten und ihren Lebensunterhalt ausschließlich von Sozialhilfe bestreiteten. Langeweile, Ziellosigkeit und extreme Armut sind stark begünstigende Faktoren für deviantes Verhalten und auch für die Kinder gehen die Erwachsenen mit positivem Beispiel voran, wenn sie morgens aufstehen und arbeiten gehen.

Das sollte die Regel sein. Diese Gelder wären aber bei weitem besser angelegt, wenn Unternehmen sie bekämen, um schwer vermittelbare und benachteiligte Menschen bei einem Mindestlohn von 100.000 Forint zu beschäftigen. Es gilt Arbeitsverhältnisse zu schaffen auf Grundlage von Arbeitsverträgen und keinen Arbeitsdienst.

István Forgács sagte kürzlich, die Mehrheitsgesellschaft warte sehnsüchtig auf angenehme Enttäuschungen hinsichtlich der Roma und reagiere für jede solche Erfahrung äußerst dankbar. Fakt ist: unsere Reportage über die Erfolgsstory von Cserdi hat sehr vielen Menschen gefallen und sehen es als eine Bestätigung dafür an, dass es sich auszahlt, wenn die Mitglieder einer Gemeinschaft selbst was für sich tun.

Der Bürgermeister von Cserdi fand die nötigen Instrumente, um einer Gemeinde mit einer unterentwickelten Gesellschaft den Anstoß in die richtige Richtung zu geben. Fraglich ist jedoch, wie lange eine solche Politik der

starken Hand erfolgreich sein kann. Der Stil Bogdáns entspricht nicht meinem Geschmack, schätze an ihm lediglich, dass er selbst mit gutem Beispiel vorangeht und mit den anderen zusammen auf dem Feld arbeiten geht. Ich weiß, dass ein beträchtlicher Teil der öffentlichen Meinung mit dem, was Forgács sagt, übereinstimmt: es sind die Roma, die sich ändern sollten, wenn ihr Ansehen innerhalb der Gesellschaft verbessert werden soll. Man könnte auch sagen, wir sollten auf dem nicht vorhandenen Fahrrad das Fahrradfahren lernen, um dann das Recht zu bekommen, ein Fahrrad zu kaufen. Er behauptet, die Roma seien selbst für ihr Image verantwortlich, meiner Meinung nach stimmt das nicht. Es waren nicht die Roma, die sich den Ruf einer nicht erziehbaren, unkultivierten und unzuverlässigen Sippschaft zuschrieben, sondern es ist das Selbstbild einer sich vor Verarmung fürchtenden ungarischen Gesellschaft, die das auf uns projiziert.

Eine interessante Theorie. Würden Sie sie bitte etwas ausführlicher erläutern?

Antiziganismus-Experten sind der Meinung, dass nicht die Roma für die ihnen gegenüber gezeigten Vorurteile verantwortlich sind, sondern vielmehr die inneren Konflikte, Identitätsstörungen und Frustrationen der Mehrheitsgesellschaft, die sie auf die Roma projizieren. Die Roma kämpfen ununterbrochen mit ihrem inneren positiven und dem äußeren negativen Selbstbild. Viele zerbrechen unter dieser Last. Andere wiederum fügen sich dem ihnen aufgezwungenen Erscheinungsbild und eignen sich alle schlechten ungarischen kulturellen Eigentümlichkeiten an: sie „feiern weinend“, fangen alles Mögliche an und lassen es bei der Hälfte sein, beschuldigen den Nachbarn, den anderen Roma oder den Staat, während sie selbst unzuverlässig sind und Steuern hinterziehen. Der Großteil der Roma hat sich in der Tat magyarisiert, so sieht es aus.

Kann Forgács denn doch nicht in einigen Punkten Recht haben mit dem was er sagt? Es scheint jedenfalls durchaus logisch, nämlich dass das gesellschaftliche Ansehen der Roma verbessert werden könnte, wenn es gelingt die täglichen Erfahrungen der Menschen positiv zu beeinflussen.

Forgács sagt nur, was der Mainstream hören will. So tat er auch damals als linksliberaler Apparatschik, bevor er „Roma-Experte“ der Roma-Gegner wurde. Seine Aufgabe ist es, die Verantwortung von den Schultern des Staates und der Mehrheit zu nehmen, und diese allein den Roma aufzubürden. Wir sind einzig schuld an unserer Unterdrückung oder daran, wenn wir verhungern. Aber erlauben sie mir eine Gegenfrage: warum hat sich an den Vorurteilen nichts geändert, als mehrere Wochen lang Roma Musiker fantastische Produktionen im Fernsehen zeigten?

Ich denke, es braucht mehr als nur ein paar Wochen und einige Auftritte im Fernsehen. Den stärksten Effekt haben die persönlichen Erfahrungen, in Schulen, auf der Straße, im Bus, im Dorf.

Es sind schon seit Jahren Roma Jugendliche, die einen Talentwettbewerb nach dem anderen gewinnen, die Vorurteile haben sich dennoch verstärkt. Es hängt also mit was anderem zusammen. Der Rassismus war zu jeder Epoche und in jedem System eine von nationalistischer Politik generierte gesellschaftliche Erscheinung. Es ist das gemeinsame Interesse der Roma Menschen und der Mehrheitsgesellschaft, rassistisch motiviertem Verbrechen der Politik zum Zwecke wirtschaftlichen und politischen Profits Einhalt zu gebieten. Mir als Roma Intellektueller kommt dabei die Aufgabe zu, die Aufmerksamkeit der Menschen auf all diese Dinge zu richten, zu helfen, unsere Gemeinschaften neu zu konstruieren, den Roma Selbstbewusstsein zu geben und damit auch mindestens so vielen Ungarn.

Übersetzung: Viktor Bacskai – Vielen Dank sagt die Initiative „Leipzig Korrektiv“
Original – Siehe Link: http://www.hir24.hu/belfold/2014/07/21/nem-a-ciganyok-tehetnek-a-rossz-megitelesukrol/