Gegen Europa und gegen Roma

1.-Mai-Aufmarsch von tschechischen Neonazis in Ústí nad Labem (Aussig) mit „internationalen Gästen“ – angereist waren auch knapp zwei Dutzend Mitglieder der NPD und der Jungen Nationaldemokraten.

Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit gab es zum 1.-Mai-Aufmarsch tschechischer Neonazis auch dieses Jahr ein EU-kritisches Motto, dieses Mal „Die Zukunft gehört der Tschechischen Krone, nicht dem Euro“. Veranstaltet wurde Marsch mit Kundgebung von der rechtsextremen „Dělnická strana sociální spravedlnosti“ („Arbeiterpartei der sozialen Gerechtigkeit“, DSSS) und deren Jugendorganisation „Dělnická mládež“ (Arbeiterjugend, DM). So war dann auch ein Großteil der DSSS-Führungsriege anwesend, darunter Tomáš Vandas, Jiří Štěpánek, Jiří Petřivalský, Erik Lamprecht und Jakub Svoboda, aber auch Neonazis der antiziganistischen „Češti lvi“ (Tschechische Löwen) um Pavel Sládek Matějný, Nazi-Hools, „normale Bürger“ und sogar Familien mit Kindern reihten sich ein.

Als weitere „internationale Gäste“ waren der ukrainische „Rechte Sektor“, die „Slovenská Pospolitost“ (Slowakische Gemeinschaft“ und der „Blocco Studentesco“ (BS), die Jugendorganisation der neofaschistischen Casa Pound aus Italien, angekündigt worden. Letztere reisten tatsächlich an. Der „Rechte Sektor“ sei aufgrund der anstehenden Wahlen sehr beschäftigt und habe seine Teilnahme absagen müssen, hieß es. Die deutsche NPD hat sich in der Ukraine-Krise mehrfach auf der Seite Russlands verortet. Dass die tschechischen Rechtsextremisten mit Solidaritätsaktionen und Spendensammlungen stets für die ukrainische Seite Position bezogen haben, scheint der Verbindung zwischen NPD und DSSS keinen Abbruch zu tun.

Mit einer Dreiviertelstunde Verspätung begann die Kundgebung in Ústí nad Labem. Grund für die Verzögerung seien überzogene Kontrollen der tschechischen Polizei gewesen, hieß es. Der DSSS-Vorsitzende Tomáš Vandas begrüßte die rund 250 Teilnehmenden von einer kleinen Stufe aus – der Aufbau einer Bühne sei ihnen in diesem Polizeistaat untersagt worden ebenso wie Fahnen mit Aufmarsch, lamentierte er. In seiner Ansprache klagte er über das „Brüsseler Diktat“, die „Multi-Kulti-Gesellschaft“ und forderte alle Anwesenden auf, bei der Europawahl die DSSS zu wählen.

„Drahtzieher“ der EU-Kommissare „aus den USA und Israel“

Auch die Chemnitzer NPD-Stadträtin Katrin Köhler hielt einen Redebeitrag – „endlich einmal wieder“, die „letzte gemeinsame Aktion in Aussig“ liege ja schon einige Jahre zurück. Mit dieser letzten gemeinsamen Aktion in Ústí nad Labem (Aussig) dürfte der Aufmarsch am 18. April 2009 gemeint sein. Damals fand ein von „Autonomen Nationalisten“ organisierter „Gedenkmarsch“ unter dem Motto „Für die Opfer des alliierten Bombenterrors“ statt. Unter den 600 Teilnehmenden waren auch rund 130 deutsche Rechtsextremisten, größtenteils aus Sachsen. In der darauf folgenden Nacht verübten Neonazis im osttschechischen Vítkov einen Brandanschlag auf ein von Roma bewohntes Haus, bei dem ein damals zweijähriges Mädchen schwerste Verbrennungen erlitt.

Katrin Köhler war dieses Mal mit rund 20 Jungnazis von NPD und JN vor Ort, darunter der sächsische JN-Landesvorsitzende Paul Rzehaczek sowie sein Stellvertretender Stefan Trautmann. Sie wendete sich mit einer „Satire“ ans Publikum: „Was ist los im Hause Europa? Die Hausbewohner – die Mitgliedsländer der Europäischen Union – wehren sich gegen den diktatorischen Vermieter, die EU-Kommissare in Brüssel. Was war nun passiert? Schon seit einigen Jahren wohnen verschiedene Familien im Hause Europa. Bisher war es friedlich und es gab nur wenige familiäre Probleme … Doch plötzlich kam Unruhe in unser gemeinsames Haus. Zuerst kamen die Fremden, fast heimlich, über Nacht.“ Die „Eindringlinge“ und deren „Hintermänner“ seien Schuld an Raub, Gewalt und Vergewaltigungen. Es sei an der Zeit, sich zu wehren, gegen die EU-Kommissare sowie deren „Drahtzieher aus den USA und Israel“. Am Ende forderte auch Köhler die Zuhörenden auf, am 25. Mai zur Wahl zu gehen und „national“ zu wählen. Diese Aufforderung stieß auf allerdings auf Unverständnis: In Tschechien wird am 23. und 24. Mai gewählt.

Auf T-Shirts brutale Angriffe gegen Roma verherrlicht

Der nächste Redner, ein Vertreter des „Blocco Studentesco“ (BS) aus Rom, wurde als Federico Matteoni vorgestellt. Er sprach vom „Werteverfall“ und davon, dass sich der BS deshalb vor allem der kulturellen Bildung widmen würde. Zuletzt hatten sich JN, die tschechische DM und der BS beim „Europakongress“ der JN Ende März im thüringischen Kirchheim getroffen. Zum Schluss sprach Paul Rzehaczek. Ähnlich wie schon bei Köhler ging es bei ihm um die „Brüsseler EU-Diktatoren“, die „Bürde der Zwangsgemeinschaft der EU“ und die „Zwangswährung Euro“.

Während die deutschsprachigen Reden ins Tschechische gedolmetscht wurden, machte sich niemand die Mühe, den „deutschen Kameraden“ auch die tschechischen Reden zu dolmetschen. Da permanent ein Polizeihubschrauber über dem Kundgebungsort, dem „Mírové námští“ (Friedenplatz) kreiste, war von den Redebeiträgen aber ohnehin nicht viel zu verstehen.

Nach der Kundgebung gab es einen nur sehr kurzen Aufmarsch. Eine ursprüngliche Route, die auch durch das Roma-Viertel gehen sollte, wurde nicht genehmigt. Der 1. Mai ging also nicht nur gegen den Euro, sondern auch gegen Roma. Gleich mehrere Nazis trugen T-Shirts, auf denen brutale Angriffe auf Roma verherrlicht wurden. Zweimal versuchten Neonazis, aus der Demo auszubrechen, wohl, um zur Roma-Siedlung zu gelangen. Den Veranstaltern von DSSS und DM war sichtlich daran gelegen, den Marsch ohne Ausschreitungen durchzuführen. Dass es nicht zu Krawallen oder Angriffen gegen Roma kam, war dann aber mehr der berittenen Polizei als den neonazistischen Ordnern zuzuschreiben.

Quelle: Blick nach Rechts
Stand: 05.05.2014