Roma-Hetze bei ÖVP

Kalender des ÖVP-Seniorenbundes aus Oberösterreich beleidigt Roma und Sinti

Ein „Enkeltrick“ brachte NEWS.AT in den Besitz des Seniorenkalenders des Oberösterreichischen Seniorenbundes: Denn mit der Ankündigung einen kritischen Beitrag über den Kalender bringen zu wollen, wäre es wohl sehr viel schwieriger geworden, den Kalender auch tatsächlich zu erhalten. So musste eine Oma, die sich angeblich über den Kalender freuen würde, als Begründung herhalten. Um betrügerische Abzocke der Omas und Opas geht es auch in einem Beitrag in besagtem Seniorenkalender. Doch fallen dabei alle Hemmschwellen und es wird gegen Roma und Sinti gehetzt. Mitlerweile liegt eine Entschuldigung des OÖ Seniorenbundesvor. Dieser verweist auf die Polizei von der der Text übernommen wurde.

„Beim Enkel–Neffen-Trick handelt es sich um eine spezielle Form des Betruges bei dem vor allem ältere Menschen ‚Opfer‘ sind“, fängt der Beitrag im „Seniorenkalender 2013“ harmlos an. Doch dann kommt es faustdick: „Als Täter treten hauptsächlich Angehörige der Roma und Sinti an“, wird dann behauptet – wobei jeder Beweis schuldig bleibt.

Die Einleitung des Artikels schließt mit der skandalösen Verdächtigung: „Diese Volksgruppe handelt sehr skrupellos und beutet ihre Opfer oft bis zur wirtschaftlichen Vernichtung ihrer Existenz aus.“ Das Besondere ist, dass hier einer ganzen Volksgruppe ein „skrupelloses“ Verhalten unterstellt wird.

Die Absätze im Seniorenkalender:
Roma-Kulturverband spricht von Diskriminierung

Für Andreas Sarközi, den Geschäftsführer des „Kulturvereins der österreichischen Roma“ – der Interessensvertretung der in Österreich seit 20 Jahren anerkannten Volksgruppe – ist das „stereotyp, rassistisch und diskriminierend“. Wie es im Jahr 2013 sein kann, dass in einem Kalender den tausende Senioren erhalten, derartige Vorurteile verkündet werden, ist ihm unverständlich.

Es käme zwar immer wieder vor, dass Bettelei in Zusammenhang mit Roma und Sinti gebracht werde, „aber derartiges ist uns noch nicht untergekommen“, stellt Sarközi fest. Folglich wird auch er das Material anfordern, um diesbezüglich zu intervenieren. Insbesondere mit Seniorenbund-Obmann Andreas Khol hätte es immer ein gutes Auskommen gegeben und dieser würde sich sehr für die Interessen der Volksgruppe engagieren.

Redaktionelle Herkunft unklar

Umso erstaunter zeigte er sich, dass in einem Kalender, der Grußworte des Bundesobmanns enthält und indem die Österreich-Rede des ÖVP-Obmanns Michael Spindelegger im Wortlaut abgedruckt ist, derartiges möglich ist. Die Beiträge selbst sind nicht namentlich gezeichnet, verantwortlich ist aber jedenfalls der Oberösterreichische Seniorenbund, der den Kalender herausgibt. Über eine Verwendung des Textes in einem anderen Seniorenkalender ist NEWS.AT nichts bekannt. Der Versuch eine Stellungnahme des Seniorenbundes einzuholen, gelang bis Redaktionsschluss nicht.

Besondere Verantwortung

Gerade in Österreich wiegt die Verantwortung gegenüber der Volksgruppe der Roma und Sinti besonders schwer. Wurden diese doch über Jahrhunderte verfolgt und diskriminiert und waren im Nationalsozialismus Opfer einer Vernichtungspolitik. Diese mit dem Romanes-Wort „Porajmos“ (das Verschlingen) bezeichnete Vernichtungspolitik, war neben der Vernichtung der Juden der zweite Versuch zur kollektiven Vernichtung im Nationalsozialismus.

Auch nach dem Nationalsozialismus war die Diskriminierung der Roma lange üblich und erst vor 20 Jahren erfolgte eine Anerkennung als Volksgruppe. Einen letzten schrecklichen Höhepunkt dieser Politik bildete die Sprengfalle des Briefbombers Franz Fuchs, der diese 1995 in Oberwart platzierte und mit der Hetzschrift „Roma zurück nach Indien“ versah. Vier Menschen, die die Beleidigung entfernen wollten, starben durch die Bombe.

Auch diese Vorgänge haben viel zur Bewusstseinsschärfung beigetragen und beim Festakt zur 20-jährigen Anerkennung der Volksgruppe war die gesamte Staatsspitze – vom Bundespräsidenten abwärts – versammelt.

Tatbestand der Verhetzung?

NEWS.AT selbst hat den Hinweis auf den Kalender von einer engagierten Bürgerin erhalten, die eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft in dieser Causa plant, um feststellen zu lassen, inwiefern der Tatbestand der Verhetzung erfüllt wird.

Denn der Verhetzungsparagraph (Absatz 2) ist in Österreich hinsichtlich dieser Causa sehr klar: „Ebenso ist zu bestrafen, wer für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine in Abs. 1 (Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen, Anm. d Red) bezeichnete Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht.“

Klarstellung und Entschuldigung

Wolfgang Lennert, der Pressereferent des OÖ Seniorenbundes, reagierte rasch mit einer Entschuldigung: Er beeilte sich mitzuteilen, dass weder der OÖ Seniorenbund noch die ÖVP in irgendeiner Form gegen Volksgruppen auftreten.

Weiters sprach er sein Bedauern aus, dass diese Ungeheuerlichkeit im Seniorenkalender 2013 passiert sei. „Das ist mehr als Unangenehm. Wir werden jedenfalls im nächsten Kalender eine Klarstellung und Entschuldigung abdrucken. Auch werden wir einen Bericht über die Roma und Sinti, den uns Andreas Sarközi zur Verfügung stellen wird, abdrucken.“

Text der Polizei

Der Text im Kalender des OÖ Seniorenbundes wurde direkt und unredigiert von der oberösterreichischen Polizei übernommen. Das kann man zwar als mangelhafte Sorgfaltspflicht sehen, aber der Text selbst wurde offenbar von der Polizei erstellt. Alexander Pollak, der Sprecher der Menschenrechts-NGO „SOS Mitmensch“, sprach gegenüber NEWS.AT von einer „beispiellosen Perfidität“ des Textes. Aber auch davon, dass es leider immer wieder Probleme mit der Diskriminierung von Roma und Sinti in Texten der Polizei gäbe.

„Zuletzt mussten wir bei einer Aussendung der Kärntner Polizei einschreiten, die sehr explizit gegen Roma und Sinti gerichtet war und dann auch zurückgezogen wurde“, stellte Pollak klar. Im Zuge der Recherchen zeigte sich, dass der Text tatsächlich von der Polizei Oberösterreich selbst stammt. NEWS.AT wurde versichert, dass der Text von einem einzelnen Mitarbeiter verfasst wurde, noch bevor die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit gegründet wurde.

Polizei reformiert Öffentlichkeitsarbeit

Inzwischen wurde eine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit geschaffen und Texte müssen ein Prozedere der Freigabe durchlaufen. Die Kommunikation wurde dadurch professionalisiert. Der Leiter der Stelle für Öffentlichkeitsarbeit, David Furtner, teilte mit, dass man eine Polizei für alle Bürger sei und sich ganz klar gegen derartige Vorkommnisse verwehrt.

Allerdings ist es zu einer bedauerlichen Entgleisung eines Mitarbeiters gekommen. Inzwischen sei das aber nicht mehr möglich, da die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit selbst die gewünschten Texte verfasst und freigibt. Außerdem sind Texte vor ihrer Freigabe auch einer eingehenden Kontrolle zu unterziehen. Furtner stellt klar, dass aus seiner Sicht so eine Ausführung heute nicht mehr möglich wäre. Außerdem nehmen die Mitarbeiter freiwillig an Schulungen der Anti-Defamation-League teil, um das Bewusstsein in diesem Bereich zu schärfen.

Der Text selbst stammt, wie NEWS.AT im Zuge der Recherchen in Erfahrung brachte, voraussichtlich von einem Mitarbeiter der Abteilung für Prävention. Dienstrechtliche Konsequenzen sollen diesem nun ebenfalls drohen, da der Text offiziell wohl nicht genehmigt wurde.

Parlamentarische Anfrage eingebracht

Der Polizist und Kritiker der Zustände in der Polizei, Uwe Sailer, sprach von einem schwerwiegenderen Problem. „Der Jargon in der Polizei ist teilweise so übel, dass gar nicht mehr gemerkt wird, wenn Begriffe verwendet werden, die diskriminierend und verletzend sind. Hier müssten Schulungen ansetzen, um die sprachliche Sensibilität zu erhöhen. Beispielsweise ist die Verwendung des N-Wortes für Schwarzafrikaner immer noch vielfach üblich. Wenn dann Texte an die Öffentlichkeit gehen, wird manchmal von Polizisten gar nicht bemerkt, dass ihre Sprache nicht mehr akzeptabel ist.“

Genauere Aufklärung fordert auch der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Er wird eine parlamentarische Anfrage in dieser Causa einbringen.

Quelle: news.at
Stand: 18.09.2013