Gießens „Oma mag auch Sinti und Roma“

Mit einer schlagfertigen Reaktion hat die Stadt die Plakatmotive der NPD („Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“) gekontert. „Meine Oma mag auch Sinti & Roma“ lautet die Botschaft der eigens angefertigten Plakate, deren erstes Exemplar am späten Nachmittag an der Kreuzung Marburger Straße/Wiesecker Weg angebracht wurde. Während in vielen deutschen Städten vergeblich versucht worden ist, die jüngste NPD-Plakatpropaganda gegen die Volksgruppe der Sinti und Roma auf juristischem Weg zu stoppen, geht ein überparteiliches Bündnis von Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung in Gießen gemeinsam einen neuen Weg: Es beantworte die Propaganda der NPD direkt mit einem Gegenplakat, heißt es in einer Mitteilung des Magistrats. Ein deutliches und überzeugendes Zeichen und ein Plädoyer für Weltoffenheit und Toleranz hätten die beteiligten Fraktionen CDU, SPD, Bündnis90/Die Grünen, Bürgerliste/Linkes Bündnis, Die Linke sowie Die Piraten damit setzen wollen. Dafür habe sich Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz (SPD) eingesetzt und geworben. Nicht an der Aktion beteiligt haben sich die Freien Wähler und die FDP. In den nächsten Tagen sollen die Plakate an den Stellen in der Stadt aufgehängt werden, wo die NPD Stimmung gegen Sinti und Roma macht.

Gestern Morgen hatte das Gießener Verwaltungsgericht die Stadt aufgefordert, die von ihr am Montag entfernten NPD-Plakate wieder aufzuhängen. Dieser Aufforderung sei die Stadt, die keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt hat, umgehend nachgekommen. Stadtsprecherin Claudia Boje bedauerte, dass die Bauhof-Mitarbeiter dabei „leider ziemlich viel Pöbelei ausgesetzt waren, weil die Leute auf der Straße entweder dachten, sie seien von der NPD oder sie angegangen sind, weil sie sich zum ,Handlanger‘ machen“. Weder das eine noch das andere sei jedoch der Fall: „Die Mitarbeiter mussten die Plakate wieder aufhängen.“ Dies habe nichts mit ihrer Überzeugung zu tun, betonte Boje.

Die Verwaltungsrichter begründeten ihre Entscheidung in erster Linie damit, dass die Aussage „Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“ nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Zudem monierten die Richter einen formalen Fehler der Oberbürgermeisterin. So habe Grabe-Bolz ihre Aufforderung an die NPD, die in der Nordanlage angebrachten Plakate zu entfernen, nicht mit einer Anordnung zur sofortigen Vollziehung versehen, was nach Aussage des Gerichts aber Voraussetzung für die sofortige Abnahme der Plakate gewesen wäre. Dieser – nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidende – Umstand rief den Gießener FDP-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Wolfgang Greilich, auf den Plan. Die Anordnung des Sofortvollzugs als Voraussetzung für die sofortige Abnahme der Wahlplakate zu vergessen sei ein dilettantischer Anfängerfehler, der zeige, dass die Oberbürgermeisterin trotz ihres personell stark ausgeweiteten Verwaltungsapparates nicht in der Lage sei, eine Verfügung auch nur formal korrekt zu erlassen, kritisierte Greilich. Auch er betonte: „Rechtsextremismus hat in einer bunten und weltoffenen Stadt wie Gießen keinen Platz. Die bevorstehende Demonstration der NPD sollten alle Demokraten, unabhängig der politischen Couleur, zum Anlass nehmen, ein deutliches Signal der Vielfalt, Toleranz und Demokratie auszusenden.“

Quelle: Gießener Anzeiger
Stand: 13.09.2013