Mord an Rom in Teplice – erneut rassistische Medienberichterstattung gegen Roma

Wie romea.cz am 27.5. berichtete, wurde in der Nacht des 24. Mai in Teplice ein Rom mit mehreren Messerstichen getötet. Der Mann sei brutal mit 21 Messerstichen niedergestochen worden, nachdem er laut Aussagen eines Augenzeugen versucht habe, einem jungen Rom, welcher rassistisch beleidigt und verfolgt wurde, zu helfen. Verschiedene Medien, u.a. TV Nova, berichten jedoch davon, dass der Auslöser des Angriffs eine angeblich gestohlene Bratwurst sei.

Ingesamt berichten wenige Medien über diesen brutalen Vorfall, und wenn doch, so wird die Tatsache, dass der Angegriffene ein Rom war, nicht erwähnt. Scheinbar spielt dies nur eine Rolle, wenn es um Fälle geht, in denen Weiße die Opfer sind. Interessant ist, dass bspw. TV Nova Zeugenaussagen erwähnt, die besagen, dass sowohl Täter als auch Opfer angetrunken gewesen seien, was seitens der Polizei nicht bestätigt wurde. Ein rassistischer Vorfall wird auf eine solche Art und Weise heruntergespielt bzw. ganz unter den Teppich gekehrt. Ein von romea.cz zitierter Zeuge sagt dahingegen aus, dass der Rom ohne Anlass angegriffen wurde und dabei die Angreifer „Heil Hitler“ riefen.

Vermeintlicher Auslöser für diesen Vorfall war eine von TV Nova verbreitete Nachricht sowie das eingebettete Video einer Überwachungskamera, welche eine Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Personen – laut Medienberichterstattung mehrere vermeintliche Roma und ein weißes Ehepaar – in der Nacht vom 18.5. in Duchcov (siehe Beitrag romea.cz) bei Teplice und den darauf folgenden tätlichen Angriff darstellen. Das Video – laut TV Nova entstand es durch städtische Überwachungskameras – kursiert mehrfach bei youtube, wobei das am häufigsten angeschaute Video im Durchschnitt zur Zeit 1600 Aufrufe pro Stunde verzeichnet. Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass es zum Beispiel von TV Nova im Artikel verlinkt ist. Dieses und das am zweithäufigsten angeschaute Video haben zusammen innerhalb von weniger als 24 Stunden über 50 000 Aufrufe. Ein Augenmerk sollte hier vor allem auf die Selbstbezeichnung des Nutzers, der diese Videos hochgeladen hat, gelegt werden. Die gleichnamige .com Internetseite trägt das Symbol der sogenannten Bewegung der „Identitären“ (Vergleich hierzu den Artikel zu Hardbass in Europa sowie weiterführende Links dort). Die Selbstverortung des Videokanalnutzers ist darüber hinaus wie folgt umrissen: „Politisch unkorrekt, nationalistisches Infozentrum, Nachrichten über Dinge und Phänomene, die uns interessant erscheinen oder unsere europäische Identität betreffen.“ – Ein eindeutiger Hinweis auf die Europakonzeption der SS. Den beiden stummen schwarzweiß Videos vorangestellt ist zunächst ein Text des Nutzers, in dem er darauf hinweist, dass die Medien den Vorfall ignoriert hätten und dass das Video auf Verlangen der Polizei gelöscht werden musste, angeblich aus Angst vor Unruhen. Es seien auch Äußerungen wie „Weiße Schweine“ gefallen, erklärt der Nutzer, ohne jedoch seine Quelle zu nennen bzw. weiter auf den Kontext der Ereignisse einzugehen. Es wird zudem darauf hingewiesen, dass das Video ohne Ton sei und somit Aussage gegen Aussage stehe. Alle „Z Wort“ seien am zweiten Tag nach dem Vorfall freigelassen worden und die Medien hätten alles totgeschwiegen, so der Nutzer. Offensichtlich wird hier versucht, auf bekannte Art und Weise einen generellen Konflikt zwischen Roma und Weißen heraufzubeschwören, in dem letztere die Opferrolle einnehmen (versuchen). Medien und Polizei würden aus Angst lieber nicht über die Vorfälle berichten, was eine heuchlerische Erfindung ist. Die Polizei hat eine offizielle Stellungnahme (siehe idnes.cz, Zugriff am 28.5.2013, 21:49 Uhr) veröffentlicht: „Es handelt sich um Frauen und Männer im Alter zwischen 16 und 44 Jahren. Alle Komplizen wurden wegen versuchter und tatsächlicher schwerer Körperverletzung angeklagt. Wenn das Gericht die Anklage akzeptiert, stehen ihnen Haftstrafen von drei bis zehn Jahren bevor, jugendlichen Straftätern das halbe Strafmaß.“ (Übersetzung der Autor_innen). Auch wenn die anderen beiden, bedeutend weniger angeschauten Videos im Internet nicht besagten „Vorspann“ haben, ist doch die ergänzende Erklärung eindeutig von obigem Nutzer kopiert und enthält auch den Link auf dessen .com Seite. Das vierte existierende Video ist das gleiche wie die ersten beiden inklusive Vorspann, nur dass der Titel sowie die Erklärung Englisch ist, anscheinend um Rassist_innen weltweit zu erreichen.

Der Vorfall in Duchcov fand insgesamt ein weit größeres Medienecho als der bereits erwähnte Mord in Teplice. Insbesondere fällt ein Blog auf, das ein Michal Malý im Rahmen der Seite idnes schreibt. Er äußert sich unter der Überschrift mit dem Titel „Rassistischer Angriff auf Ehepaar erschüttert Duchcov bei Teplice…“, welches angeblich auch der Betreff einer E-Mail von TV Nova gewesen sein soll, in der der Fernsehsender auf den Vorfall und das existierende Video hinweist, zu den Vorfällen. Hier findet wiederholt die Verwendung des pejorativen Z Wortes statt, angeblich aufgrund der Unkenntnis darüber, ob es sich um Roma, Sinti, Lovari, Kalderasch, Kale oder weitere handele. Dies ist schon allein deshalb scheinheilig, weil der Autor dadurch versucht, das Z Wort wieder salonfähig zu machen (im Gegensatz zu dem derzeitigen populären „Unangepasste“/„Unanpassungsfähige“). Die vorgeschobene und vermeintlich sinnhafte Begründung ist, dass sich nicht alle selber als Roma bezeichnen und auch nicht als solche bezeichnet werden wollen. Augenwischerei ist, dass in der Aufzählung, die ein gewisses Grundwissen des Autors suggeriert, auch Sinti erwähnt werden. Warum nennt der Autor diese Gruppe?

Wieder einmal scheint sich die Geschichte zu wiederholen. Wie bereits 2011 im Šluknover Zipfel wird ein bis dato völlig ungeklärter Konflikt/Vorfall dazu benutzt, um öffentlich gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe Stimmung zu machen. Auch TV Nova ist sich nicht zu schade, in einem separaten Artikel für geplante Aktionen in Teplice (Duchcov) am Mittwoch, den 29.5.2013, Werbung zu machen und somit anschlussfähig an rassistische und vor allem sozialchauvinistische Meinungen zu sein. Die DSSS plant bisher lediglich etwaig spätere Demonstrationen, hat aber noch keine direkten Aktionen angekündigt. Die Aktion von morgen (Mittwoch 29.5.2013) in Duchcov wird anscheinend von Ortsansässigen veranstaltet (Danke Markus für den Hinweis!). Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass sich die Intensität und Dauer der Demonstrationen nicht wie im Šluknover Zipfel 2011 wiederholen, vor allem bleibt aber zu hoffen, dass in Anbetracht des Mordes an einem Rom in Teplice, ein Reflektieren über den eigenen Rassismus stattfindet – dies wäre zumindest wünschenswert.

Quelle: Ecoleusti
Stand: 27.05.2013