Rechtsextreme hetzen gegen Roma

Rede über „Zigeunerisierung“ des Landes – weiter gespannte Lage in den Städten nach Ausschreitungen

Der Staatschef und der Premierminister haben ihre gegenseitige Antipathie für einen Augenblick vergessen und gemeinsam zu Toleranz und Ruhe aufgerufen. Die aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten, die später in diesem Monat Georgi Parwanow im Amt nachfolgen wollen, taten dasselbe. Sogar die orthodoxe Kirche hat ihr traditionelles Schweigen gebrochen. Doch eine Woche nach den pogromartigen Ausschreitungen gegen Roma in mehreren Städten Bulgariens kommt das Balkanland nicht zur Ruhe.

An die hundert Sympathisanten rechtsgerichteter Parteien verlangten am Sonntag den Rücktritt von Innenminister Zwetan Zwetanow und prügelten sich vor dem Ministerium in Sofia mit den rasch herbeigeeilten Polizisten. Am Samstag wechselten sich in der bulgarischen Hauptstadt Protestmärsche und Solidaritätsbekundungen mit der Roma-Minderheit ab.

Wolen Siderow, Präsidentschaftskandidat und Führer der rechtsextremen Partei Ataka, bezeichnete in einer Rede vor dem Präsidentenpalast die „Islamisierung“ und die „Zigeunerisierung“ als die eigentlichen Probleme Bulgariens. Siderow, der bei den Präsidentenwahlen vor fünf Jahren noch in die Stichwahl gekommen war, verlangte den Abriss der Roma-Ghettos in den Städten und die Wiedereinführung der Todesstrafe. Präsidenten- und Kommunalwahlen sind am 23. Oktober.

Unter Leitung des amtierenden Staatschefs Parwanow trat am Samstag – eine Woche nach dem Ausbruch der Gewalt im Land – der nationale Sicherheitsrat zusammen. Parwanow rief zu einem „Ende der Sprache des Hasses“ in Politik und Medien auf. Regierungschef Boiko Borissow nahm in der Sitzung die Polizisten gegen Vorwürfe in Schutz, zu spät bei den Krawallen eingegriffen zu haben, die in einem Dorf außerhalb von Bulgariens zweitgrößter Stadt Plovdiv begonnen hatten. „Das Kapitel ist geschlossen“, erklärte Borissow zudem.

In dem Dorf Katunitsa war am 23. September ein 19-jähriger Bulgare nach Zeugenaussagen vorsätzlich von einem der Gefolgsleute des Roma-Bosses Kiril Rashkow alias „Zar Kiro“ überfahren worden. Hooligans zündeten daraufhin Rashkows Häuser in Katunitsa an. Schlägergruppen marschierten in den folgenden Tagen in Roma-Siedlungen in mehreren Städten, rund 350 Personen wurden verhaftet.

Quelle: Der Standard
Stand: 02.10.2011