Lehrstück in Sachen extrem rechter Antiziganismus

Der Berliner Ableger der rechtspopulistischen Pro-Bewegung hat am 5. Februar 2011 einen Text mit der Überschrift „Nachteile der Freizügigkeit“ veröffentlicht, der exemplarisch ist für einen Antiziganismus der extremen Rechten.

Die (unbekannte) antiziganistische Traditionslinie der Pro-Bewegung

Die Pro-Bewegung ist in den Medien vor allem für das von ihr gepflegte Feindbild Islam bekannt. Weitgehend unbekannt ist die antiziganistische Traditionslinie der Pro-Truppe. Entstanden ist Pro-Bewegung in Köln als lokale Wählerformation „Pro Köln“. „Pro Köln“ entstand 1996 als eine Art Abspaltung von der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH). Die 1991 gegründete DLVH war der gescheiterte Versuch die diversen extrem rechten Parteien in Deutschland unter einem Dach zusammenzuführen. Die Kölner DLVH kam vor allem aus den Reihen der Republikaner (REPs). So gibt es unter den Funktionären der Pro-Bewegung einen ganzen Personenkreis, der von den REPs zur DLVH kam und schließlich bei der Pro-Bewegung landete.
Bei den REPs fand sich, besonders während der Asyldebatte Anfang der 1990er Jahre, immer wieder unverhohlener Antiziganismus. Gleiches gilt für die DLVH. So setzte im März 1993 die DLVH in Köln eine Belohnung von 1.000 DM (500 Euro) für die Ergreifung der Romni Nitar Pampurova aus. Die DLVH verteilt 3.000 Plakate und 50.000 Flugblätter um die nach Mazedonien ohne ihre Kinder abgeschobene Mutter, die heimlich zurückgekehrt war, zu jagen.
Auch beim DLVH-Nachfolger „Pro Köln“ findet sich von Anfang an immer wieder antiziganistische Hetze. Diese arbeitete sich an einer Gruppe von Roma ab, die aus Osteuropa nach Köln zugezogen oder geflüchtet war. Aufgebauschte Einzelfälle wurden zum Vorwand genommen, Stimmung zu machen gegen „Klaukids und organisierte Diebesbanden aus Osteuropa“. Die Bezeichnung „Klaukids“ war in dem Fall nur eine Chiffre für Roma-Jugendliche. Gegen diese und ihre Familien wurde ein ganzer Traditionsbestand antiziganistischer Ressentiments aufgeboten: Sie würden stehlen, sie würden betteln, Eltern würden ihre Kinder vernachlässigen und sie wären nicht fähig zu geregelter Arbeit. Bei Betrachtung der antiziganistischen Klischees fällt auf, dass diese das Gegenteil zum Selbstverständnis der deutschen Mittelschicht darstellen. Roma fungiereten hier also nur als Projektionsfläche und als Konstruktion „des Anderen“ zur Selbstvergewisserung. Diese arbeitete sich an einer Gruppe von Roma ab, die aus Osteuropa nach Köln zugezogen oder geflüchtet war. Aufgebauschte Einzelfälle wurden zum Vorwand genommen, Stimmung zu machen gegen „Klaukids und organisierte Diebesbanden aus Osteuropa“. Die Bezeichnung „Klaukids“ war in dem Fall nur eine Chiffre für Roma-Jugendliche. Gegen diese und ihre Familien wurde ein ganzer Traditionsbestand antiziganistischer Ressentiments aufgeboten: Sie würden stehlen, sie würden betteln, Eltern würden ihre Kinder vernachlässigen und sie wären nicht fähig zu geregelter Arbeit. Bei Betrachtung der antiziganistischen Klischees fällt auf, dass diese das Gegenteil zum Selbstverständnis der deutschen Mittelschicht darstellen. Roma fungiereten hier also nur als Projektionsfläche und als Konstruktion „des Anderen“ zur Selbstvergewisserung.
Gegen die Roma von Köln wird in rechter bürgerlicher Manier eine Law&Order-Politik in Stellung gebracht. Unter dem Punkt „4) Kriminalität stoppen“ im Programm für die Wahl zum Rat der Stadt Köln 2009 von „Pro Köln“ steht:

Um nicht als ausländerfeindlich zu gelten, hat die Stadtspitze immer wieder darauf verzichtet, die Polizei zu einem harten Vorgehen gegen Klaukids und organisierte Diebesbanden aus Osteuropa aufzufordern. Viele Kölner, aber oft auch ausländische Touristen sind zu Opfern dieser verfehlten Politik geworden. Unsere Politiker lassen die Opfer im Stich und verhätscheln die Täter.


OBEN: der Pro-Funktionär Beisicht gegen „Klaukids“ (Screenshot von Abgeordnetenwatch)

„Nachteile der Freizügigkeit“
Die fortbestehende antiziganistische Tradition der Pro-Bewegung dokumentiert sich gut in dem Text
„Nachteile der Freizügigkeit“ von „Pro Berlin“. Hier heißt es u.a.1:

In Marzahn West leben die Angehörigen bestimmter Roma-Familien – früher Zigeuner genannt – mit vielen ihrer Nachbarn im Streit. Die „Berliner Woche“ schreibt: „Seit dem vergangenen Jahr haben sich einige Roma-Familien aus Polen in Marzahn niedergelassen. Zwischen der neuen Gruppe von Migranten und den Alteingesessenen kommt es seitdem immer wieder zu Spannungen. Die Roma sind zu laut, stören ihre Nachbarn, heißt es immer wieder. […] Entsprechend ihrer Lebensgewohnheiten halten sich die Roma viel im Freien auf und verhalten sich in ihren Großfamilien anders als Deutsche, Spätaussiedler oder Vietnamesen. […] Die Behörden sind im Umgang mit dem munteren Treiben unserer osteuropäischen Kulturbereicherer machtlos. Denn die zücken einen EU-Paß, falls sie ausnahmsweise einmal von einem Beamten kontrolliert werden. Sie genießen Freizügigkeit in der gesamten Europäischen Union.

Es finden sich in dem Text allerlei antiziganistische Stereotype.
1. Roma würden sich nicht anpassen können. („Zwischen der neuen Gruppe von Migranten und den Alteingesessenen kommt es seitdem immer wieder zu Spannungen.“)
2. Roma würden feste Behausungen nicht mögen und ziehen ein Leben im Freien vor. („Entsprechend ihrer Lebensgewohnheiten halten sich die Roma viel im Freien auf […].“)
3. Roma nutzen die neuen Verhältnisse schamlos für ihre eigene Interessen aus. („Die Behörden sind im Umgang mit dem munteren Treiben unserer osteuropäischen Kulturbereicherer machtlos. Denn die zücken einen EU-Paß, falls sie ausnahmsweise einmal von einem Beamten kontrolliert werden.“) Bis zu einem gewissen Maß wird das auch stimmen, jedes normales Individuum hat ein egoistisches Eigeninteresse, aber in diesem Fall wird das so dargestellt, als wäre es eine besondere Eigenschaft von Roma. Das erinnert sehr an das rassistische und antisemitische Bild von „Wirtsvölkern“ und „Parasiten“.

Die aus dieser Darstellung resultierenden Forderungen von „Pro Berlin“ lauten:

Die Bürgerbewegung pro Deutschland fordert eine Nachverhandlung der EU-Bestimmungen zur Freizügigkeit. Und pro Deutschland regt an, die bestehenden Vorschriften nach französischem Vorbild konstruktiv auszulegen. Präsident Sarkozy ließ bekanntlich im Sommer vergangenen Jahres 40 Zigeunerlager in Frankreich schließen und die Bewohner nach Rumänien und Bulgarien zurückführen. […] Was den Franzosen recht ist, sollte uns Deutschen billig sein!

Im eigenen Klientel stoßen solche Texte auf ein positives Feedback wie die Online-Kommentare beweisen. So schreibt eine „Sabine H.“ am 6. Februar 2011 um 18:22:

Wieso nach Rumänien und Bulgarien?
Roma und Sinti sind Nomaden aus INDIEN.
JEDEN von denen ein Hinflug-Ticket nach Indien und wir haben wieder Fußgängerzonen OHNE bettelnde Roma-Sippen.

Die Forderung nach einer Zwangsdeportation von Roma in ihre angebliche Abstammungsheimat Indien wird sonst nur von osteuropäischen Neonazi-Parteien erhoben.

Ein „Günter“ schreibt am 5. Februar 2011 um 22:12:

Unter den Zigeunern gibt es Personen, die sich in unserem Staat vor allem drücken.
Insbesondere vor dem Wehrdienst.
Wenn es aber ans Abkassieren geht, stehen auch diese
Leutchen ganz vorn.
Als Taschendiebe machen sie sich ebenso besonders gut.
Warum ich das weiß ?
Ich hatte schon mal die hälfte der Hand einer Zigeunerin
in meiner Gesäßtasche. Wie ic h reagierte könnt Ihr Euch
ja vorstellen.
Denen muß man zeigen wo es lang geht hier in diesem Schmuseland.
Neue Männer braucht das Land, aber keineswegs Machos
jeglicher Art.

Roma („Zigeuner“) sind also Taschendiebe und Drückeberger, die man mit harter Hand anpacken müsse.

Ein „Tyrsoleen“ schrieb am 5. Februar 2011 um 18:26:

Was auch noch interessant wäre, woher haben die denn die Wohnungen? Als autochoner Deutscher bekommt man ohne Lebenslauf, Schufa, Geburtsurkunde und Berufsabschlüssen kaum noch bezahlbaren Wohnraum und die Zigeuner nisten sich in den knappen Wohnungen ein. So kann es denn auch nicht gehen und die Toleranz der Bürger wird hoffentlich bald abflauen.

„Zigeuner“ würden sich also irgendwo „einnisten“.

Fazit: Mit antiziganistischen Rassismus lässt sich auch in Deutschland von extrem Rechten gut Politik machen, ohne dass das von der Öffentlichkeit, dem Establishment oder den Medien skandalisiert oder sanktioniert würde.

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