Studie: Sinti und Roma in Freiburg werden diskriminiert

Rund 2.500 Sinti und Roma leben in Freiburg und Umgebung. Eine aktuelle Studie lässt aufhorchen: Diskriminierung ist bei vielen allgegenwärtig. Doch wo findet die im Alltag eigentlich statt

Alteingesessene und Kriegsflüchtlinge, Menschen mit deutschem Pass und Menschen mit unsicherem Status zwischen Duldung und Aufenthalt. Sie alle waren angesprochen, als das Roma-Büro Anfang 2018 ein Projekt startete: Leiter Tomas Wald und sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragten Großfamilien von Sinti und Roma nach ihren Erfahrungen mit Rassismus. Nun liegt als Ergebnis eine Studie vor: der erste Roma / Sinti-Diskriminierungsbericht.

Angehörige des Milieus forschen direkt im Milieu

Anders als akademische Forschungsarbeiten nämlich hat das Roma-Büro nicht etwa Statistiken aus Erhebungen und Strichlisten zusammengetragen, sondern von Angehörigen des Milieus im Milieu forschen lassen: Wo findet im Alltag Diskriminierung gegen Sinti und Roma statt? Es wurden übers Jahr ganz bewusst Fallberichte gesammelt. Der 70-jährige Tomas Wald nämlich, von Beruf Analyst, ist überzeugt: Diskriminierung spielt sich nicht etwa in den Köpfen ab. Und sie sollte folglich auch nicht als „erfahrungsleere Begriffsakrobatik“ verhandelt werden.

Als körperlich erfahrbare Diskriminierung beschreibt etwa einer der Befragten die Situation in einer Bäckerei: Längst wäre er im vollen Laden dran, groß und gut sichtbar, dunkelhäutig. Bedient wird er, als der Laden leer ist. Oder die Frau im Schwimmbad, nach Sinti-Tradition immer mit Rock bekleidet, im Schwimmbad also mit speziellem Badegewand. Aufgefordert vom Bademeister, das Schwimmbad zu verlassen, argumentiert sie: Dieses sei spezielle Badekleidung, die langen Shorts der Jungs mit Boxershorts drunter seien doch viel unhygienischer. Sie darf nicht bleiben. Einer anderen Frau sagt ein anderer Bademeister, sie solle den Baderock ausziehen oder in den Bach gehen, wo sie eh hingehöre. Diesen und andere Berichte zum Beispiel vom Einkaufen, von der Disko, von Polizeikontrollen, aus der Schule, zu Freundschaften, vom Wohnen oder von der Arbeit protokolliert die Studie des Roma-Büros.

„Rassismus und Diskriminierung finden auf der Körperebene statt, ganz konkret, nicht im Kopf, sondern im Raum“, erklärt Wald bei der Präsentation der Studie einem fachkundigen Publikum. Studierende verschiedener Fachrichtungen rund um Migrationsthemen, Sozialarbeiter und Journalisten sind die ersten, die durch die sehr eindrücklichen rund 30 Seiten blättern. Dass die in kleiner 250er Auflage entstehen und gedruckt werden konnten, verdankt sich den 4.000 Euro Fördersumme, die im Jahr 2018 das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ zu diesem Unterfangen beigesteuert hat. Für das laufende Jahr wurde diese Summe um die 1.500 Euro Druckkosten reduziert, entsprechend ist man auf der Suche nach Spenden, um dann auch 2019 eine Studie drucken zu können.

Eine gute Schulbildung wird für Sinti- und Roma-Kinder immer wichtiger

Coralla Reinhardt und Griaßa Reinhardt, beide Sintezas, vom Recherche-Team der aktuellen Studie, absolvieren beide die Ausbildung als Bildungsberaterin. Sie sehen deutlich die Schwierigkeiten, die sich für Kinder und Jugendliche auftun, die als Sinti oder Roma Kindergarten und Schule besuchen. Mehr als früher seien heute auch Sinti- und Roma-Kinder auf gute Schulbildung, Ausbildung, Studium angewiesen: „Da hat ein Wandel stattgefunden, weil viele traditionelle Berufe, die früher typisch waren, heute nicht mehr gefragt sind.“ In einem der Berichte beschreibt eine Mutter, wie ihre Tochter in der Schule so lange als „dreckige Zigeunerin“ beschimpft wurde, bis sie mit Depression, Übergewicht und Schulverweigerung reagierte.

Dass „Zigeuner“ gar nicht geht, wisse man natürlich unter aufgeklärten Bildungsbürgern, sagt Tomas Wald und schreibt in der Studie: „Im Happyland gibt’s keinen Rassismus – hier halten sich alle für weltoffen und tolerant. Mit einem Lächeln wird Sinti und Roma gesagt, aber niemals ’Zigeuner’.“ Umso schwieriger sei es und umso wichtiger, zu zeigen, dass Sinti und Roma sehr wohl und ganz konkret aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Sprache, ihres Leben in der Großfamilie oder ihres Nachnamens diskriminiert würden.

Quelle: Badische Zeitung

Stand: 08.05.2019