Zentralrat wendet sich an SPD-Vorsitzende Andrea Nahles

Distanzierung von rassistischen Äußerungen des Duisburger SPD-Oberbürgermeisters Link über Kindergeldzahlungen und Roma gefordert

Mit einem Schreiben an die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles reagierte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma auf die fortgesetzte Debatte über die Zahlung von Kindergeld an ausländische Arbeitnehmer in Deutschland, deren Kinder in ihrem Heimatland leben. Rose unterstrich nochmals, daß selbstverständlich gegen jede Form des Betrugs ermittelt werden muß, und ebenso selbstverständlich muß jeder Mißbrauch von Leistungen unterbunden werden. Dies muß ohne Ansehen der Person geschehen, entsprechend den Vorgaben unseres Rechtsstaates. Romani Rose bittet die Parteivorsitzende Andrea Nahles um eine deutliche Distanzierung von den Äußerungen des Duisburger Oderbürgermeisters Sören Link. „Eine Partei mit einer Vielzahl von mir hochgeschätzten Politikern darf derartige rassistische Äußerungen nicht unwidersprochen lassen. Es kann nicht sein, daß einerseits auf den neuen Antisemitismus in Deutschland zu Recht mit der Berufung eines Bundesbeauftragten und mit neuen Programmen reagiert wird, und gleichzeitig aus den Reihen der SPD ein alter Antiziganismus wieder gesellschaftsfähig gemacht werden soll“, so Rose.

Oberbürgermeister Link hatte von kriminellen Schleppern gesprochen, die gezielt Sinti und Roma nach Duisburg bringen würden und ihnen eine häufig heruntergekommene Wohnung verschafften, damit sie einen Wohnsitz zum Bezug des Kindergeldes hätten. „Ich muss mich hier mit Menschen beschäftigen, die ganze Straßenzüge vermüllen und das Rattenproblem verschärfen. Das regt die Bürger auf.“ Mit dem Hinweis auf das Auftreten von „Ratten“ hatte vor Jahren der Darmstädter SPD-Oberbürgermeister Günther Metzger das, wie der Zentralrat damals kritisierte, „seit 1945 schlimmste Beispiel für Rassismus“ geliefert. Die Argumentation von Oberbürgermeister Link nimmt dieses zutiefst rassistische Bild auf und verbindet es mit dem Vorwurf des Betrugs und unhygienischer Lebensweise, die Ratten anziehe. Durch diese Äußerungen des Duisburger SPD-Oberbürgermeisters sei ein immenser Schaden für die Minderheit und für das gesellschaftliche Zusammenleben entstanden. Der Oberbürgermeister mache durch eine gezielte, an der Abstammung festgemachte Kennzeichnung die Angehörigen der Minderheit zur alleinigen Ursache dieses Problems. „Dies steht in der Tradition der Herstellung von Sündenböcken und birgt, gerade jetzt, die Gefahr von Gewalt gegen Sinti und Roma in Deutschland“, schrieb Romani Rose an die Parteivorsitzende. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hatte unmittelbar nach der in den Medien erschienenen Äußerungen des Duisburger Oberbürgermeisters eine Vielzahl von Haß-Mails erhalten, zum Teil mit massiver Gewaltandrohung.

Rose kritisierte auch die Darstellung der Debatte in einem Teil der Medien. So habe die Tagesschau die von der Bundesregierung genannten Zahlen in einer unsauberen und manipulativen Weise in ein Diagramm übersetzt, so daß der Zuwachs an Kindergeldempfängern im Ausland von 2017 auf 2018 fast 100% zu betragen schien; auf einer korrekten Skala von 0 bis 300.000 wäre der Zuwachs im Säulendiagramm deutlich geringer und entspräche dem tatsächlichen Verhältnis. Rose warf dem SPD-Oberbürgermeister Link außerdem vor, eine auf die Abstammung rekurrierende völkische Sortierung von Menschen vornehmen zu wollen; dies verbiete aber das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aus der Erfahrung der Geschichte. „Roma sind Staatsbürger in ihren jeweiligen Herkunftsländern, in denen sie seit Jahrhunderten leben. Es gibt in Deutschland tausende Roma aus Rumänien oder Bulgarien, die hier arbeiten und Sozialbeiträge zahlen. Ich kenne Heidelberg und Umgebung recht gut, und ich weiß, daß aktuell die Heidelberger Hauptstraße unweit unseres Dokumentationszentrums neu gepflastert wird – von Bautrupps aus Rumänien, unter denen die meisten Arbeiter Roma sind. Wer in der Saison hier Spargel kauft, der weiß, daß inzwischen die Arbeiterinnen und Arbeiter, die den Spargel stechen, meist aus Rumänien oder Bulgarien kommen – und auch hier sind oft viele der Arbeiter Roma, die hier in die Sozialversicherungen einzahlen“, so Rose.

Romani Rose bat die Parteivorsitzende Andrea Nahles auch, an der von ihr für Ende September 2018 in Berlin geplanten Konferenz jener Städte, aus denen Klagen über die Zahlung von Kindergeld an Ausländer gekommen sind, teilnehmen zu können. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma kenne selbstverständlich die Situation in einer Reihe von Städten und auch die Probleme, die vorwiegend durch sogenannte „Problemimmobilien“ entstehen. Hier bestehe in der Tat Handlungsbedarf – auch in Duisburg wäre der dortige Oberbürgermeister gefordert – um diese kriminellen Formen von Mietwucher, Leiharbeit und oft genug auch anderen Formen krimineller Ausbeutung zu unterbinden, so Rose.

Quelle: Zentralrat deutscher Sinti und Roma
Stand: 25.08.2018