Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute – Vortragsreihe in Duisburg, April bis Juli 2018

Das Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung lädt gemeinsam mit dem Zentrum für Erinnerungskultur der Stadt Duisburg ein zu einer Vortragsreihe zum Thema

*Zur Bekämpfung des Antiziganismus heute.*

In der Zeit vom April bis zum Juli 2018 werden acht Vorträge stattfinden. Referentinnen und Referenten sind Nicolás Brochhagen und Wolfgang Esch, Dr. Markus End, Dr. Sebastian Winter, Rafaela Eulberg, Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Joachim Krauß, Sylvia Brennemann und Merfin Demir.

Die Vortragsreihe wird in Kooperation mit dem Zentrum für Erinnerungskultur, Menschenrechte und Demokratie durchgeführt und gefördert durch die Amadeu Antonio Stiftung und durch den AStA der Uni Duisburg/Essen.

Ausführliche Informationen finden Sie auf unserem Blog DISSkursiv: http://www.disskursiv.de

Auf Wunsch können Teilnahmebescheinigungen ausgestellt werden. Bitte
wenden Sie sich während der jeweiligen Veranstaltung an uns.

*Programm*

Sonntag, 8.04.2018, 15 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Die Bürgerrechtlerin Hildegard Lagrenne und der Polizeisekretär Wilhelm Helten.
Forschungsbericht Nicolás Brochhagen und Wolfgang Esch.
Eine Veranstaltung des Zentrums für Erinnerungskultur.

Freitag, 13.04.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Dialektik der Aufklärung als Antiziganismuskritik
Dr. Markus End, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Antiziganismusforschung e.V.

Freitag, 27.04.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Verachtung und Romantisierung – Zur Sozialpsychologie der Roma-Feindlichkeit
Dr. Sebastian Winter, Inhaber der Gastprofessur für kritische Gesellschaftstheorie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.

Dienstag, 15.05.2018, 17 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Doing Gender und Doing Gypsy – Das Bild der „Zigeunerin“ als Potenzierung von Stereotypen: Anmerkungen zum Wechselverhältnis von Geschlecht und Ethnie
Rafaela Eulberg, M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Religionswissenschaft des Forums Internationale Wissenschaft der Universität Bonn.

Freitag, 25.05.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Antiziganismuskritische Bildung in der national-bürgerlichen Konstellation
Prof. Dr. Astrid Messerschmidt, Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Geschlecht und Diversität an der Bergischen Universität Wuppertal.

Freitag, 08.06.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Ordnungsrecht und/oder Integration. Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien seit 2011
Joachim Krauß, M.A., Arbeitsgruppenleiter Migration und Integration der AWO in Duisburg und Doktorand am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin.

Freitag, 22.06.2018, 14 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Ausgrenzung und Antiziganismus in Duisburg-Marxloh
Sylvia Brennemann, Kinderkrankenschwester, engagiert sich seit Jahren in ihrem Stadtteil Duisburg-Marxloh.

Donnerstag, 05.07.2018, 18 Uhr, DenkStätte im Stadtarchiv Duisburg, Karmelplatz 5
Antiziganismus, Kolonialismus, Neoliberalismus – eine Analyse aus Sicht der Selbstorganisationen
Merfin Demir, Vorsitzender der interkulturellen Jugendselbstorganisation von Roma und Nichtroma in Nordrhein-Westfalen Terno Drom e. V.

Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung e.V.
Siegstr. 15, 47051 Duisburg
Fon 0203 20249, Fax 0203 287881
Email: info@diss-duisburg.de
Internet: www.diss-duisburg.de
Blog: www.disskursiv.de

Zwischen Angst und Anpassung

Die junge Roma-Familie lebt seit Jahren in Nagold. Zwar wurde ihr Asylantrag abgelehnt, doch ihr Aufenthalt von den Behörden geduldet. Ein Bericht über eine Odyssee.

Nagold. Es geschah mitten in Nagold, mitten in der Nacht. Es war der 21. Februar, kurz nach vier Uhr morgens, als Unbekannte stürmisch an der Wohnungstür klingelten. Doch die 33-jährige Roma Danijela I. wusste sofort, um was es sich handelt. „Wir sollten abgeschoben werden.“ Die junge Frau, ihr psychisch schwerkranker Ehemann und ihre beiden Kinder packte die Angst.

„Wir haben uns im Zimmer versteckt.“ Vor allem ihr psychisch schwerkranker Mann sei in Panik geraten. „Sie haben bestimmt eine halbe Stunde wie verrückt geklingelt und an der Tür geklopft“, berichtet Danijela. „Dann habe ich die Klingel abgestellt.“

Was sich aus dem Mund der jungen Roma dramatisch anhört, sieht das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe eher nüchtern. Nachdem zuvor ein Gutachten die Transportfähigkeit des kranken Ehemannes ergeben habe, seien „aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ eingeleitet worden, heißt es da in bestem Amtsdeutsch. „Die geplante Abschiebung am 21. Februar 2018 konnte nicht erfolgen, da die Familie nicht angetroffen wurde“, teilte der Sprecher Uwe Herzel auf Anfrage mit.

Etwas anders sieh das wiederum der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. „Was hier unternommen wurde, ist schlichtweg unter aller Sau“, echauffiert sich Seán McGinley. „Die Familie lebt seit Jahren in Deutschland, da sollte es vor einer Abschiebung eine gewisse Vorlaufzeit geben“, schimpft er. „Die Familie sollte nicht aus heiterem Himmel überrascht werden.“

Die versuchte nächtliche Abschiebung ist die bisher letzte Station einer langen Odyssee der Romafamilie. Was Danijela I. erzählt, ist atemberaubend. Manches ist für einen Außenstehenden kaum zu glauben. „Ich war fünf oder sechs Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit meinen Eltern nach Deutschland kam.“ Das war Anfang der 90er Jahre, als der Jugoslawien-Krieg tobte – doch 1998 musste die Familie wieder zurück. Der Asylantrag wurde abgelehnt. Bereits 2000 kam die Familie wieder nach Deutschland, 2003 beendete die junge Roma die Hauptschule – doch wenig später mussten sie wieder zurück in die Heimat.

„Sie haben ihn umbringen wollen“

Doch in Serbien sei dann etwas dramatisches geschehen, erzählt die junge Frau. Ihr kleiner Sohn sei brutal zusammengeschlagen worden, „weil er ein Roma ist“. Dabei habe er einen Blinddarmriss erlitten, musste operiert werden. „Doch wir hatten kein Geld, mein Mann musste sich Geld leihen.“ So sei ihr Mann an Wucherer von der Mafia geraten, er habe das Geld nicht zurückzahlen können. Es habe einen Bombenanschlag auf das Auto ihres Mannes gegeben, „sie haben ihn umbringen wollen“. Später sei er brutal zusammengeschlagen worden, er sei schwer traumatisiert, musste in die Psychiatrie.

Im Oktober 2014 sei man dann abermals nach Deutschland gegangen. Erst waren sie in Karlsruhe untergebracht, doch bald schon nach Nagold ins Asylantenheim gekommen. Heute lebten sie bei einem Freund der Familie.

Doch auch dieser Asylantrag wurde „als offensichtlich unbegründet abgelehnt“, so der offizielle Bescheid aus Karlsruhe. „Die haben uns einfach nicht geglaubt“, klagt die Roma-Frau. „Die haben geglaubt, wir haben uns das nur ausgedacht.“ Seitdem wird die Familie behördlich geduldet. „Die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise haben die Betreffenden nicht genutzt“, so das Regierungspräsidium.

Flucht, Abschiebung, abermals Flucht – doch noch ist die Odyssee der Familie nicht zu Ende. Mehrfach habe ihr Ehemann sich das Leben nehmen wollen, musste in die Psychiatrie. Dabei fühlt sich die Familie beinahe als Deutsche. „Die Familie hat den Großteil ihres Lebens in Deutschland verbracht, die Kinder sprechen fließend Deutsch, gehen auf die Schule“, sagt Seán McGinley vom Flüchtlingsrat. Die Familie sei im Sportverein, mache in der Kirche mit, Danijela will nach eigenen Worten in der Altenpflege arbeiten. „Besser kann man eigentlich nicht integriert sein“, so McGinley.

Immerhin: „Weitere Abschiebeversuche sind derzeit auch aufgrund Gerichts- und Petitionsverfahren zurückgestellt“, meint Uwe Herzel vom Regierungspräsidium Karlsruhe. Die Frage ist: Wie lange noch?

Quelle: Schwarzwälder Bote
Stand: 20.03.2018

So half die Münchner Polizei bei der Ermordung von Sinti und Roma

– Im März 1943 wurden mindestens 141 Münchner Sinti und Roma nach Auschwitz deportiert.
– Schon vor der NS-Herrschaft drangsalierten die Behörden sie; in Bayern betrieb man eine besonders repressive „Zigeunerpolitik“.
– Während des Nationalsozialismus wurden die Sinti und Roma als „Fremdrasse“ deklassiert und vom SS- und Polizeiapparat systematisch erfasst.

Elisabeth Schneck-Guttenberger, geboren 1926, hat die Verfolgung der Sinti und Roma durch die Nazis überlebt. So konnte sie später berichten, was im März 1943 in München geschehen war: „Wie die Tiere haben sie uns in die Güterwaggons gepfercht, dass wir uns kaum rühren konnten. Zusammen mit meinen Eltern, vier Geschwistern, einer dreijährigen Nichte, mit meiner achtzigjährigen Großmutter und vielen anderen Verwandten wurde ich nach Auschwitz deportiert. ( … ) Unterwegs hatten wir kaum etwas zu essen und zu trinken.“

Und Sofie Dina Fischer (1894-1988) sagte nach dem Krieg als Zeugin vor Gericht aus: „Am Tage der Abfahrt erhielten wir ein Stück Brot und verdorbene Wurst. Während der ganzen Fahrt erhielt ich für jedes Kind ein kleines Glas Milch. Die Erwachsenen erhielten etwas Suppe, dann zwei oder drei mal Kaffee oder Tee.“ Das war alles. Die Fahrt im Eisenbahnwaggon ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau dauerte mehrere Tage. Continue reading So half die Münchner Polizei bei der Ermordung von Sinti und Roma

Ordnungsamt Frankfurt am Main stempelt rechtswidrigen und diskriminierenden und Vermerk in Pass von Roma aus Rumänien

Der Sozialberatung des Förderverein Roma liegt der Pass einer Romni aus Rumänien vor, in den ein Mitarbeiter des Ordnungsamts Frankfurt den Vermerk „Beim aggressiven Betteln angetroffen“ mit Datum und Unterschrift gestempelt hat.

Die Passinhaberin berichtet, ein Schild mit Bitte um eine Spende hätte zum Vermerk und zur Überprüfung der Papiere auf der Wache geführt. Die Situation ist von der Frau und ihrer Freundin, die ebenfalls ein Vermerk in den Pass erhielt, als bedrohlich und ängstigend erlebt worden. Auf eine Übersetzung wurde seitens des Ordnungsamtes nicht geachtet.

Beide Frauen kommen aus der rumänischen Stadt Gheorgheni. Roma leben dort in ärmlichen Hütten ohne jegliche Versorgung, sind vom Regelschulbesuch ausgeschlossen und konfrontiert mit neonazistischen Pogromen.

Der beschriebene Eintrag entbehrt nach Auffassung des Förderverein Roma jeder Rechtsgrundlage und führt zur Ungültigkeit des Passdokuments, das Eigentum des rumänischen Staates ist. Das Vorgehen zeigt in skandalöser Weise die Spitze von Ausgrenzung und Stigmatisierung. Die Passinhaberin wird ungeachtet der Entwertung bei jeder Überprüfung durch den Stempel denunziert, jeder Grenzübertritt wird zum Spießrutenlauf. Der ebenso unmenschliche wie unrechtmäßige Verwaltungsakt erinnert zudem an rassistische Vermerke in Passdokumenten von Roma und Sinti, deren Intention allein in der Herabwürdigung, Verfolgung und Demütigung der Betroffenen lag.

Nach der Räumung der Brache im Frankfurter Gutleutviertel und dem Camp an der ehemaligen Europäischen Zentralbank, nach dem Vertreiben von Roma-Frauen in der Gutleutstraße und den aktuellen Barverwarnungen stellt der Sichtvermerk im Pass eine weitere Eskalationsstufe dar, deren Ziel die Vertreibung von obdachlosen Roma-MigrantInnen aus der Stadt Frankfurt ist.

Statt Alternativen bereit zu stellen und Armut zu bekämpfen, werden, wie in anderen deutschen Städten, Ausgrenzung und Kriminalisierung favorisiert. Letztlich endet die Praxis in der Absicht, den Aufenthalt durch den Entzug der Freizügigkeit zu beenden und die Abschiebung mit Rückreisesperre durchzusetzen – eine umfangreiche Entrechtung von EU-BürgerInnen.

Der Förderverein Roma leitet rechtliche Schritte gegen die Verfahrensweise des Ordnungsamtes Frankfurt ein. Darüber hinaus wird der Anspruch auf Schadenersatz geprüft und der Datenschutzbeauftragten des Landes Hessen sowie das rumänische Generalkonsulat über den Vorfall informiert.

Ffm., den 13.2.2018

Quelle: Förderverein Roma
Stand: 14.03.2018

Streit über Eintrag in Reisepässen

„Beim aggressiven Betteln angetroffen“ – Der Frankfurter Förderverein Roma ärgert sich über handschriftliche Einträge des Ordnungsamtes in Reisepässen. Das Amt räumt mindestens einen Verstoß ein.

Die Verantwortlichen des Frankfurter Fördervereins Roma haben ihre Worte mit Bedacht gewählt. Deshalb fallen sie so heftig aus. Von einem ebenso „unmenschlichen“ wie „unrechtmäßigen“ Verwaltungsakt ist in einer Pressemitteilung von Mitte letzter Woche die Rede. Der eigentliche Anlass ist auf den ersten Blick eine Kleinigkeit: Ein Stempel und ein handschriftlicher Vermerk in einem Reisepass. Für die Inhaberin des Dokuments könnte diese „Kleinigkeit“ jedoch gravierende Folgen haben.

Der Stempel trägt nach Angaben des Fördervereins das Logo des Frankfurter Ordnungsamts. Der handschriftliche Vermerk lautet: „Beim aggressiven Betteln angetroffen“. Ein Mitarbeiter der Ordnungsbehörde soll diesen Eintrag in den rumänischen Reisepässen zweier Frauen vorgenommen haben, die zuvor mit einem Schild um Spenden gebeten hatten. Unklar ist, wo sich der Vorfall ereignete.

Nach Auffassung des Fördervereins verstößt der Vermerk gegen geltendes Recht und macht darüber hinaus die Reisepässe beider Frauen ungültig. „Das Vorgehen zeigt in skandalöser Weise die Spitze von Ausgrenzung und Stigmatisierung“, heißt es in der Pressemitteilung. „Die Passinhaberin wird ungeachtet der Entwertung bei jeder Überprüfung durch den Stempel denunziert, jeder Grenzübertritt wird zum Spießrutenlauf.“

Das Frankfurter Ordnungsamt bestätigt auf Anfrage der FR, dass es zumindest in einem Fall zu einem entsprechenden Eintrag gekommen sei. „Derlei Einträge sind in der Tat nicht zulässig“, erklärt Ralph Rohr, Sprecher des Ordnungsamtes. Der Mitarbeiter, der diese vorgenommen habe, habe die geltende Rechtslage falsch ausgelegt. Er sei „eindringlich sensibilisiert“ worden.

Zudem sei in einem Rundschreiben an alle Mitarbeiter des Ordnungsamtes darauf hingewiesen worden, dass derartige Vermerke nicht zulässig sind. Gemäß der Aufenthaltsverordnung des Bundes müssen Ausländer – auch EU-Bürger – gewisse Einträge in ihren Reisepässen dulden. Dazu zählen etwa Angaben zu Ein- und Ausreise, aber gegebenenfalls auch über das „Antreffen im Bundesgebiet“.

Weitere Angaben sind dem Wortlaut des Gesetzes nach nicht vorgesehen.
Aus Sicht des Fördervereins dient der mutmaßlich rechtswidrige Eintrag dem Ziel der „Vertreibung von obdachlosen Roma-Migranten“ aus der Stadt. Der Verein kündigt, an rechtliche Schritte gegen das Ordnungsamt einzuleiten sowie mögliche Schadenersatzansprüche zu prüfen.

Quelle: Frankfurter Rundschau
Stand: 14.04.2018