Lachen gegen die anderen

Französisches Kino steht in Österreich immer noch für niveauvolle Unterhaltung. Doch seit einigen Jahren kommen aus Frankreich Komödien, die vor allem Klischees bedienen und damit Vorurteile zementieren – und so, unter dem Deckmantel leichter Unterhaltung, Politik machen.

Dreckige Zähne, glitzernde Goldkronen, Hut, Ringe an jedem Finger und Stoppelbart: Babik (gespielt von Ary Abittan) sieht aus wie die verächtliche Karikatur eines Rom, in der französischen Komödie „Hereinspaziert!“. Der Film ist der neueste Streich von Erfolgsregisseur Philippe de Chauveron, nach „Monsieur Claude und seine Töchter“, der in Frankreich 17 Millionen Zuschauer ins Kino holte, und „Alles unter Kontrolle!“ über einen Polizisten, der bei einer missglückten Abschiebung selbst zum Flüchtling wird.

Chauveron dreht Komödien, die europaweit rasend erfolgreich sind, gerne mit Publikumsliebling Christian Clavier in der Hauptrolle, dessen Figur es sich in seiner bildungsbürgerlichen Blase bequem gemacht hat, doch angesichts real erlebten Multikulturalismus – so beim auch in Österreich hunderttausendfach besuchten „Monsieur Claude“ – dann mit einem Mal feststellt, dass das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturen doch nicht so einfach ist.

Man wird ja wohl noch sagen dürfen

Diese Komödien, fast alle nach einem Drehbuch von Guy Laurent, stochern da in einem trüben Sumpf aus Vorurteilen und einem „Man wird ja wohl noch sagen dürfen!“, immer wieder hart an der Grenze zwischen Geschmacklosigkeit und offenem Rassismus. Doch mit „Hereinspaziert!“, der nun auch in Österreich ins Kino kommt, sind Laurent und Chauveron zu weit gegangen: Als antiziganistische, rassistische Hetze wurde die Komödie in Frankreich kritisiert, und auch das Publikum blieb weitgehend daheim, zu hart sind hier die Klischees.

Christian Clavier spielt da den linken, wohlbestallten Starautor Jean-Etienne Fougerole, offensichtlich angelehnt an den französischen Philosophen und Publizisten Bernard-Henri Levy. Als Autor des Buches „Hereinspaziert!“, in dem er gegen Rassenhass argumentiert, wird Fougerole in einer Fernsehdebatte von seinem rechten Kontrahenten gefragt, ob er selbst eine Roma-Familie aufnehmen würde, wenn die vor der Tür stünde. „Selbstverständlich“, antwortet Fougerol, in die Ecke getrieben.

Mit Schwein, Charme und Campingkocher

Noch am selben Abend steht der Klischee-Rom Babik mit seiner vielköpfigen Familie vor der Tür des Anwesens der Fougerols, möchte den Familienwohnwagen im gepflegten Garten aufstellen, bringt sein Hausschwein mit und seine altertümliche Sexualmoral. Der kulturelle Clash zwischen progressiven Linken und traditionellen Roma ist so unvermeidlich wie vorhersehbar, und die ungebetenen Gäste benehmen sich wie der sprichwörtliche Rotz am Ärmel.

Den „Esprit von Charlie Hebdo“ attestiert ein Kommentator in der rechten Zeitschrift „Le Causeur“ dem Film, und macht sich über die entsetzten Rezensionen in Zeitungen wie „Le Monde“ und „Le Figaro“ lustig: „Wir wollen das Recht, über alles zu lachen.“ Regisseur Rachid Hami, dessen Film „La Melodie“ kürzlich in Venedig Premiere feierte und der dafür ebenfalls mit Chauverons Drehbuchautor Laurent zusammenarbeitete, analysiert: „‚Monsieur Claude‘ hat sich noch über alle lustig gemacht, aber bei ‚Hereinspaziert!‘ ist das nur eine Gruppe – und das ist dann doch zu offensichtlich rassistisch.“

Rassismus verkauft sich gut

Hami bestätigt, dass im französischen Kino ein besorgniserregender Trend zu spüren ist, der eine Normalisierung von Rassismus in der Gesellschaft widerspiegelt und befeuert. Angefangen habe das schon mit dem Erfolg von „Ziemlich beste Freunde“, der den schwarzen Protagonisten als wandelndes Stereotyp gezeigt habe: „Politisch gesprochen sind solche Filme wie eine schleichende Vergiftung. Das ist beängstigend, denn die Normalisierung von Rassismus führt dazu, dass jemand wie Marine LePen mit ihrer Rassistenpartei auf einmal bei den Präsidentschaftswahlen in der Stichwahl ist – und niemand reagiert mehr entsetzt.“

Der Grund für diese Welle von Filmen, so Hami, ist schlicht: „Es ist das Geld. Die Leute gehen gern in solche Filme, weil sie sich gern mit ihrem Rassismus wohlfühlen. Aber wenn morgen ein Film so erfolgreich wird, in dem Leute Katzen essen, dann werden wir halt eine ganze Welle von Filmen kriegen, in denen Katzen gegessen werden. Es ist ein Phänomen, eine Mode, und die ist in diesem Fall leider gefährlich.“

Kino als Politmaschine

Brisanterweise war „Hereinspaziert!“ in Frankreich kurz vor der französischen Präsidentschaftswahl im April ins Kino gekommen, analog zur bevorstehenden österreichischen Nationalratswahl im Oktober, und wurde gerade in diesem Zusammenhang als besonderes manipulativ gewertet. Und noch ein zweiter Film, auf der anderen Seite des politischen Spektrums, erregte die Kritiker und Feuilletons: „Das ist unser Land!“, in Österreich seit 1. September im Kino, handelt von einer Krankenschwester, die vom Front National (der im Film „Le Bloc Patriotique“ heißt) als Bürgermeisterkandidatin rekrutiert wird und dabei die manipulativen Mechanismen innerhalb der Partei kennenlernt.

Der Aufschrei der Frontisten gegen den Film war in Frankreich groß. Ein rechtspopulistischer Abgeordneter bezeichnete Regisseur Lucas Belvaux gar als „Schüler von Goebbels“, der auf Steuerkosten einen Propagandafilm gedreht habe. Dabei ist Belvaux’ Film trotz einiger Schwächen alles andere als grell, sondern geht detailliert auf die Mechanismen ein, mit denen die Partei arbeitet, und bringt großes Verständnis auf für die Nöte und Ängste der Menschen, die sich dem Front National zuwenden.

Belvaux hat für seinen Kollegen Philippe de Chauveron harte Worte: „‚Hereinspaziert!‘ ist schlicht rechtsextrem, unter dem Deckmantel einer leichten Komödie. Und das Problem ist nicht nur die Geschichte, die er erzählt, sondern dass er die dahinterliegenden Überzeugungen inzwischen ganz normal findet.“ Unkritisch betrachtet normalisieren Filme wie diese ein Klima, in dem man über die Missachtung von Menschenrechten die Achseln zucken oder sogar lachen kann, sagt Belvaux. Beide Filme sind nun im Kino zu sehen.

Quelle: ORF.de
Stand: 02.10.2017