Bulgariens neue Regierung: Pakt mit den Ultrarechten

Im ärmsten EU-Land regiert neu die prowestliche Gerb-Partei mit den Vereinigten Patrioten. In deren Reihen tummeln sich islamophobe und fremdenfeindliche Scharfmacher.

Erstmals nehmen in Bulgarien Repräsentanten der radikalen Rechten Einsitz in einem bulgarischen Kabinett. In der Regierung von Bojko Borisow erhalten die Vereinigten Patrioten zwei Vizeregierungschef-Posten sowie die Ministerressorts für Verteidigung und Wirtschaftspolitik. Borisows bürgerliche Gerb-Partei hatte in der vorgezogenen Parlamentswahl vom 26. März lediglich 95 von 240 Mandaten gewonnen.

Gegen Roma, Schwule, Juden

Zusammen mit den Patrioten, einem Bündnis ultranationalistischer Gruppierungen, kommt Borisow auf eine hauchdünne Mehrheit von zwei Stimmen. Die Koalition wird indes von einer weiteren rechtspopulistischen Partei unterstützt. Für die Regierung stimmten am Donnerstag 133 Abgeordnete. Zu den umstrittensten Figuren des Kabinetts zählt der stellvertretende Ministerpräsident Waleri Simeonow. Er hat bulgarische Roma laut dem Onlineportal «Balkan Insight» als «streunende Hunde» und «wilde Affen» beschimpft. Im März beteiligte er sich an einer Grenzblockade, bei der ethnische Türken mit bulgarischem Pass daran gehindert wurden, in ihrer Heimat zu wählen. Vor laufenden Kameras packte der Chef der extremistischen NFSB-Partei eine alte Frau und zwang sie, in das Nachbarland zurückzukehren. Krasimir Karakatschanow, ein weiterer «Patriot», übernimmt das Verteidigungsministerium. Nicht im Kabinett berücksichtigt wurde hingegen der dritte Spitzenmann des nationalistischen Bündnisses, Wolen Siderow. 2015 rügte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die bulgarische Regierung, weil gewalttätige Übergriffe von Siderows Bewegung ohne Konsequenzen blieben. Der Scharfmacher war an der Spitze eines Saubannerzuges vor eine Moschee in Sofia marschiert, wo der Mob Muslime mit Eiern bewarf und Gebetsteppiche in Brand setzte. In Bulgarien gehört rund ein Zehntel der Bevölkerung zur muslimischen Minderheit. Bei anderer Gelegenheit setzte sich Siderow als Holocaustleugner und Schwulenhasser in Szene.

Vor der Parlamentswahl schien sich das nationalistische Trio rhetorisch etwas zu zügeln. Weniger rabiate Vertreter wie der neue Verteidigungsminister Karakatschanow – zu kommunistischen Zeiten ein Mitarbeiter des Geheimdienstes – distanzierten sich von den Ausfällen Siderows. Ob sie den Hardliner tatsächlich zu zähmen vermögen, ist indes eine andere Frage. Borisow, der bereits zum dritten Mal einer bulgarischen Regierung vorsteht, war im letzten November nach der aus seiner Sicht missglückten Präsidentschaftswahl zurückgetreten. Seine Kandidatin wurde vom russlandfreundlichen ehemaligen General Rumen Radew überraschend deutlich geschlagen. Dennoch scheint es Borisow bei der Auswahl seiner Koalitionäre nicht ganz wohl zu sein. Ohne Kooperation mit den Patrioten wären Neuwahlen unausweichlich gewesen, rechtfertigte sich der ehemalige Leibwächter und Feuerwehrmann vor einigen Wochen. In der letzten Legislaturperiode hatte die nationalistische Parteiengruppe Borisows Kabinett toleriert. Jetzt stieg sie zum Juniorpartner auf und wird für die Königsmacherrolle fürstlich honoriert. Eine grosse Koalition mit den Postsozialisten war vor dem Hintergrund der Polarisierung in Bulgarien keine Option.

Populistisches Potpourri

Im Wahlkampf bot die Flüchtlingskrise einen idealen Nährboden für rechtsnationalistische Parteien, obwohl das Balkanland den Migrationsdruck viel weniger spürte als etwa Griechenland oder die Türkei. Letztere spielte den Patrioten in die Hände, indem sie mit einem aggressiven Lobbying für die Türken-Partei Dost Abwehrreflexe weckte.

Das Legislaturprogramm für die nächsten vier Jahre ist ein populistisches Potpourri. Die Durchschnittslöhne im ärmsten EU-Land sollen um die Hälfte erhöht, jene von Lehrern gar verdoppelt werden. Zudem wird auf Drängen der Nationalisten ein Ausbau der Polizei angepeilt. Nicht infrage gestellt wird das Verhältnis zur EU und zur Nato. Gleichzeitig dürfte Bulgarien wegen der wirtschaftlichen Verflechtung und kultureller Affinität weiterhin enge Beziehungen zu Moskau pflegen.

Quelle: Neue Züricher Zeitung
Stand: 20.05.2017