Abschiebung der Roma-Familie aus Freiburg sorgt für grün-roten Zoff

Keine Heizung, kein Wasser, kein Klo: Berichte über die desolate Lage einer aus Freiburg abgeschobenen Roma-Familie setzen Innenminister Gall zunehmend unter Druck.

Nach dem Bericht von Mitarbeiterinnen des Jugendhilfswerks und des SPD-Kreisverbandsvorsitzenden Julien Bender über ihren Besuch bei der abgeschobenen Familie Ametovic bleiben viele Fragen offen. Der Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand fordert, die Kriterien der „humanitären Einzelfallprüfung“ offen zu legen. Auf Nachfragen der BZ dazu sagt Andreas Schanz, Sprecher des Innenministeriums, vage, die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums würden sich „genau anschauen, ob eine Abschiebung zu einem bestimmten Zeitpunkt zumutbar ist.“
Als Innenminister Reinhold Gall am Mittwoch die Abschiebung erneut öffentlich verteidigte, betonte er, dass er im Dezember selbst in Serbien gewesen sei und sich ein Bild von den Bedingungen vor Ort gemacht habe. Kennt er das Roma-Lager Nis? Nein, sagt auf Nachhaken der BZ Andreas Schanz – Reinhold Gall sei in einer Notunterkunft in Sabac gewesen. Er habe sich außerdem am Flughafen in Belgrad davon überzeugt, dass abgeschobene Flüchtlinge vom serbischen Flüchtlingskommissariat empfangen würden.

Was steckt hinter der „humanitären Einzelfallprüfung“?

Als Antwort auf etliche konkrete Fragen zur „humanitären Einzelfallprüfung“ reagiert Andreas Schanz zunächst nur mit einem Verweis auf den Petitionsausschuss – der allerdings war zusätzlich zu der von der Landesregierung für Roma versprochenen, davon unabhängigen „humanitären Einzelfallprüfung“ von den Unterstützern der Familie hinzugezogen worden. Was steckt dann hinter der „humanitären Einzelfallprüfung“? Und gibt es Beispiele dafür, dass Vereinbarungen mit den serbischen Behörden nach einer Abschiebung eingehalten wurden? Welche Anhaltspunkte hatte das Regierungspräsidium Karslruhe für seine Einschätzung, dass eine Abschiebung der Ametovics verantwortbar sei? Wurden Bedingungen mit der serbischen Regierung ausgehandelt, um zu garantieren, dass sich die Behörden vor Ort um die Ametovics kümmern? Darauf antwortet Andreas Schanz, Serbien sei „ein souveräner Staat, von dem wir allenfalls Informationen erbitten können.“

Wohnung oder Notunterkunft?

Für Verhandlungen sei das Auswärtige Amt zuständig. Das Innenministerium habe nach der Abschiebung der Ametovics erfahren, „dass die Familie gut in Belgrad angekommen ist.“ Die serbischen Behörden hätten außerdem berichtet, dass den Ametovics eine Wohnung angeboten worden sei, die sie nicht angenommen hätten – später bezeichnet Andreas Schanz diese Wohnung dann nur noch als „einfache, aber ordentliche Notunterkunft“. Handelt es sich um eine Wohnung oder eine Notunterkunft? Wo ist sie? Auf diese Fragen bekommt die BZ keine Antwort. Der Aussage mit dem Wohnungsangebot widerspricht Carlos Mari, der Geschäftsführer des Jugendhilfswerks: Den Besuchern aus Freiburg habe Sadbera Ametovic äußerst glaubwürdig erzählt, es habe sich niemand um sie und die Kinder gekümmert. Eine Mitarbeiterin des Jugendhilfswerks habe mit Sadbera Ametovic telefoniert, während sie auf dem Flughafen herumgeirrt sei, sie habe die Situation dadurch miterlebt. Danach hätte sich die Familie ohne Geld für eine Busfahrkarte ins Roma-Lager Nis durchschlagen müssen und müsse deshalb nun Bußgeld bezahlen.

Das Innenministerium erwartet in den nächsten Tagen einen Bericht der serbischen Regierung. Oliver Hildenbrand kritisiert, der Innenminister sei „Profi genug, um zu wissen, dass ihm bei seinem Vorort-Besuch im Dezember nicht das wahre Elend gezeigt wurde, in dem Roma in Serbien leben müssen.“ Eine solche Reise sei kein Ersatz für eine „humanitäre Einzelfallprüfung.“

Quelle (mit Bildern): Badische Zeitung
Stand: 04.02.2015