Erinnern an die Ermordung der europäischen Roma und Sinti

Dokumentation von Veranstaltungen, Publikationen und extern geförderten Projekten der Rosa-Luxemburg-Stiftung zur Geschichte des Genozids an den europäischen Roma und Sinti, zu Antiziganismus und zur Roma-Politik heute.

Mit dem Denkmal zur Erinnerung an die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas (Einweihung 24. Oktober 2012) ist ein Gedenkort geschaffen worden, der an die hunderttausendfache Verfolgung von Sinti, Roma, Lalleri, Lovara, Manusch und anderer Gruppen in der Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Durch den Beschluss des Bundestages von 1992 wurde eine lange bestehende Forderung des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma erfüllt – die Errichtung zog sich aber 20 Jahre hin.

Die Diskriminierung, Entrechtung und Verfolgung waren kein Phänomen, das mit dem staatlich organisierten Genozid (Porajmos) durch Nazi-Deutschland begann. Schon seit dem ausgehenden Mittelalter lassen sich antiziganistische Vorurteile, Gesetze und Vertreibungen in vielen Gegenden Europas belegen, die nach Jahrhunderten in der planmäßigen und systematischen Vernichtung im nationalsozialistischen Herrschaftsbereich kulminierten. Dem Porajmos fielen nach Schätzungen bis zu 500.000 Menschen aller Altersgruppen zum Opfer. Der NS-Apparat konnte dabei vielerorts auf vorher schon existierende (Foto-) Karteien, Listen von Häusern und zum Teil auch Erfahrungen mit Internierung aufbauen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die gesellschaftliche Diskriminierung in vielen Ländern annähernd bruchlos weiter, so auch in der Bundesrepublik. Offene Gewalt wurde zwar wieder seltener, aber nicht nur Westdeutschland behielt rassistische Gesetzgebung und Politik bei. Die Erinnerung an Ausschluss aus quasi allen Bereichen der Gesellschaft, Zwangssterilisierungen, Erschießungen und die Vernichtung in Lagern wurde systematisch verhindert, der Bundesgerichtshof argumentierte gar, dass Roma und Sinti bis 1943 nicht aus rassistischen Gründen verfolgt wurden, sondern weil sie «asozial» gewesen seien.

Die Europäische Union hat 2011 ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert, nationale Strategien zu entwickeln, die die Teilhabe der größten ethnischen Minderheit des Kontinents erhöhen sollen – vor allem in den Bereichen Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnen. Wie katastrophal die Situation in vielen Ländern ist, verdeutlichte unter anderem eine Studie aus demselben Jahr, die sich der Bildungssituation deutscher Sinti und Roma widmete. Neben den Abschiebungen aus Frankreich und der offen antiziganistischen Regierungspolitik Italiens zeigt diese Studie, wie falsch der Impuls ist, bei aktuellem Antiziganismus nur nach Ost- und Südosteuropa zu schauen.

In den Staaten des ehemaligen Ostblocks gehörten die Roma zu den ersten und größten Leidtragenden der Transformation. Segregierte Wohnviertel und Schulen, Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt und fehlender Zugang zu staatlichen Diensten und Leistungen prägen nach einer kurzen Entspannung während der EU-Beitrittsprozesse oft wieder den Alltag, nicht nur in Ungarn, Bulgarien und Tschechien nehmen aber auch körperliche Gewalt und Mord wieder zu.

Ziel dieses Dossiers ist es, anlässlich der Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas eine Auswahl unserer Angebote zur politischen Bildung in Erinnerung zu rufen. Wir sind überzeugt, dass ein würdiges Gedenken an die Ermordeten ein erster Schritt ist, um auch den Lebenden ein würdiges Dasein zu ermöglichen. Im Rahmen unseres Auftrages und unserer Möglichkeiten möchten wir dazu auch in Zukunft beitragen.

Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung
Stand: 12.02.2013