Gedenken an Völkermord während der NS-Zeit: Ein Denkmal für die Sinti und Roma

Mit der Eröffnung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma geht ein langer Streit zwischen Politik, dem Künstler und Opferverbänden zu Ende. Ein Überblick über die Geschichte des Denkmals und seine Bedeutung.

In Berlin ist am 24. Oktober das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas eingeweiht worden. Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel waren Spitzenpolitiker und Vertreter der Opferverbände anwesend. Kulturstaatsminister Bernd Neumann zeigte sich zufrieden: „Opferverbänden und Politik ist es gelungen, mit dem Denkmalentwurf eine für alle Opfergruppen angemessene Form des Gedenkens und Erinnerns zu finden“, sagte er vor der Eröffnung in Berlin.

Doch genau über diese angemessene Form ist 20 Jahre lang diskutiert worden – zwischen Politik, Holocaust-Überlebenden, dem Künstler und verschiedenen Opferverbänden. Streit hat es nicht nur um den angemessenen Ort für das Mahnmal gegeben, sondern auch über die Inschrift und an wen es überhaupt erinnern soll.

Das Denkmal liegt südlich des Reichtagsgebäudes, etwas versteckt zwischen Büschen und Bäumen am Simsonweg im Tiergarten. Es ist ein kreisrundes Becken, gefüllt mit Wasser. Auf dem Brunnenrand ist das eigens für das Mahnmal geschriebene Gedicht „Auschwitz“ des Roma-Dichters Santino Spinelli in deutscher und englischer Sprache eingraviert. In der Mitte des Beckens wird auf einer versenkbaren, dreieckigen Stele stets eine frische Blume liegen. Wildblumen sollen es sein, Schafgarbe, Mutterkraut oder Eisenhut zum Beispiel – so jedenfalls der Wunsch von Dani Karavan, dem israelischen Künstler, der das Denkmal gestaltet hat. Die Blumen sollen immer zu einer festen Zeit ausgetauscht werden, voraussichtlich jeweils um 13 Uhr. Das geschieht von Hand, in einem Wartungsraum unterhalb des Wasserbeckens.

Neben dem Mahnmal stehen Informationstafeln, auf denen Besucher mehr über den Mord an den Hunderttausenden als „Zigeuner“ verfolgten Menschen während des Nationalsozialismus erfahren können. Über Lautsprecher erklingt im Hintergrund ein Geigenton.

Ein Denkmal für alle – aber ohne Inschrift

Von der Idee für ein eigenes Denkmal für die Sinti und Roma bis zu seinem Bau hat es lang gedauert. Bereits 1992 hatte sich die damalige Bundesregierung für das Mahnmal ausgesprochen. Auf Beschluss des Bundestages sollte es zwischen dem Reichstag und dem Brandenburger Tor errichtet werden. Zwei Millionen Euro stellte der Bund zur Verfügung.

Einen Wettbewerb zur Gestaltung des Denkmals gab es nicht, beauftragt wurde Dani Karavan. Der wollte anfangs ein gemeinsames Denkmal für alle Opfer während der NS-Gewaltherrschaft – also für die verfolgten Juden, Kommunisten, Homosexuellen genauso wie für Roma und Sinti. Doch mit der Planung des Holocaust-Mahnmals und dem Denkmal für die verfolgten Homosexuellen war schnell klar, dass der einzelnen Opfergruppen getrennt gedacht werden soll.

Nachdem Karavan seinen Ursprungsentwurf vorgelegt hatte, eskalierte 2005 ein Streit um die Inschrift. Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sprach sich für ein Zitat von Bundespräsident Roman Herzog aus, das jedoch vom kleineren Verband der Sinti Allianz Deutschland abgelehnt wurde. Dabei ging es um die Verwendung des Wortes „Zigeuner“ – der Zentralrat lehnte den Begriff vehement ab, die Sinti Allianz plädierte dafür, da so auch andere Stämme wie die Lalleri und Lovara eingeschlossen würden.

Unter Vermittlung des Kulturstaatsministeriums einigten sich die beiden Verbände auf einen Kompromiss: Anstatt einer Inschrift wurde am Brunnenrand das Spinelli-Gedicht angebracht. Zudem verfassten das Institut für Zeitgeschichte in München und das NS-Dokumentationszentrum in Köln eine Chronologie des Völkermordes an den Sinti und Roma von 1933 bis 1945. Diese Chronologie ist auf gläsernen Informationstafeln neben dem Mahnmal zu lesen. Der Bundesrat hatte der Chronologie im Dezember 2007 zugestimmt.

Eröffnung immer wieder verschoben

Bei der symbolischen Grundsteinlegung am Jahresende 2008 gaben sich die Verantwortlichen erleichtert: Kulturstaatsminister Bernd Neumann bezeichnete die Planung als schwierigen Prozess, der „beinahe wie die Quadratur des Kreises“ verlaufen sei.

Doch auch während des Baus kam es zu Schwierigkeiten – diesmal zwischen dem Land Berlin, das das Grundstück für den Bau zur Verfügung gestellt hatte, und dem Gestalter Dani Karavan. Der kritisierte mehrfach die Optik und Beschaffenheit des Baumaterials für das Denkmal. Aber auch mit seiner Forderung nach einem tieferen Brunnen scheiterte er bei der Berliner Baubehörde.

Durch die Kontroversen verzögerte sich die Einweihung des Denkmals Jahr für Jahr. Auch die Kosten stiegen von den geplanten zwei auf 2,8 Millionen Euro.

Das nun endlich eröffnete Denkmal bietet Raum für das Wesentliche: Ein angemessenes Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Völkermords. Nach Schätzungen von Historikern kamen zwischen 1933 und 1945 über 100.000 Roma und Sinti ums Leben. Der Zentralrat geht sogar von der fünffachen Opferzahl aus. Genaue Quellen fehlen, daher wird sich die Zahl der Ermordeten nie exakt ermitteln lassen. Unabhängig der Zahlen haben die Nachkommen mit dem Denkmal jetzt einen zentralen Ort der Erinnerung. Heute leben noch rund 70.000 Roma und Sinti in Deutschland.

Quelle: RBB Online
Stand: 25.10.2012