Brandanschlag auf Roma-Haus

Unbekannte haben Montagnacht das Wohnhaus einer Leverkusener Roma-Familie mit Molotow-Cocktails in Brand gesteckt. Die 19 Bewohner retteten sich unverletzt ins Freie. Zeugen vermuten Rechtsradikale hinter der Tat.

Ermittler des Landeskriminalamtes bahnen sich ihren Weg durch die verkohlten Überreste der Wohnung von Familie Goman. Die Täfelchen der Spurensicherung stehen zwischen schwarz verbrannten Möbelstücken. Das Erdgeschoss des vierstöckigen Gebäudes im Leverkusener Stadtteil Wiesdorf ist unbewohnbar. Mehrere Molotow-Cocktails durchschlugen knapp zwölf Stunden zuvor die Scheiben der Wohnung und verwandelten die angrenzenden Zimmer in ein Flammenmeer. Dass niemand verletzt wurde, ist die einzige positive Nachricht in einer für die 19 Hausbewohner und Nachbarn schrecklichen Nacht.

Neun Personen – darunter mehrere Kinder im Alter zwischen zwei und 16 Jahren – waren zum Zeitpunkt der Brandstiftung in der Wohnung. „Wir saßen noch im Wohnzimmer, als meine Frau draußen zwei Gestalten bemerkte. Plötzlich knallte es im Nebenzimmer, und dann stand alles in Flammen“, fasst Olli Goman die Ereignisse zusammen. Um 0.20 Uhr alarmierte er den Notruf, trommelte die übrige Familie zusammen, gemeinsam stürmten sie auf die Straße.

Draußen versammelten sich in den Minuten danach die Anwohner – schockiert beobachteten sie das Eintreffen der Feuerwehr und die Löscharbeiten. Erste Zeugenaussagen machten die Runde, Schuldzuweisungen wurden ausgesprochen, während die Feuerwehr ein Übergriff der Flammen auf das restliche Haus verhinderte. „Ich habe zwei Personen beobachtet. Der eine war maskiert“, wiederholt Astrid Voss ihre Aussage, die sie noch in der Nacht bei der Kriminalpolizei in Köln machte. Zwei Autos will die Frau gesehen haben: einen VW Golf – möglicherweise. Mit Neusser Kennzeichen – wahrscheinlich.

Die Kölner Kriminalpolizei und das LKA haben derweil die Ermittlungen aufgenommen: 21 Beamte gehen laut Aussage eines Polizeisprechers auch den Hinweisen auf einen fremdenfeindlichen Hintergrund des Anschlags nach.

Astrid Voss ist eine der wenigen Zeugen, die ihren Namen nennt. Ähnliche Beobachtungen wie sie haben viele Nachbarn gemacht – auch ein Transporter mit Frankfurter Kennzeichen wurde gesichtet. Aber mit den Gomans in eine Sache verwickelt werden, dass will kaum jemand im Viertel. „Ich will keinen Ärger – nicht mit den Gomans und nicht mit den Rechtsextremen“, sagt eine junge Mutter. Dass es sich um einen Anschlag von Rechtsradikalen handelt, ist für viele klar.

Denn das vierstöckige Gebäude der Familie an der Straßenecke Kaiserstraße/Carl-Leverkus-Straße ist seit Jahren ein Problemherd. Erst im Herbst des vergangenen Jahres zogen rechtsradikale Demonstranten durch das Viertel. „Die wollen uns hier weg haben“, sagt Olli Goman, „dabei sind wir Leverkusener und seit 1956 Bürger dieser Stadt.“

Dieses Selbstwahrnehmung wird vom Umfeld jedoch nicht geteilt. „Die teuren Klamotten, die Protz-Autos, die laute und aggressive Mentalität stinkt den Menschen“, sagt ein Nachbar und erhält beistimmendes Nicken der Umstehenden. Und so mischt sich unter Bestürzung und Anteilnahme der Schaulustigen auch unverhohlene Verachtung. „Diese Haltung macht es den Rechten einfach, auf Stimmenfang zu gehen“, sagt Jürgen Scharf, der für die Freien Wähler den Wahlkreis Wiesdorf-Nordwest vertritt. Die Stadtverwaltung habe es versäumt, im Viertel ein friedliches Miteinander zu garantieren, klagt Scharf.

Verwaltungschef Reinhard Buchhorn will dennoch Flagge zeigen und der Familie in dem bewohnbaren Teil des Hauses sein Mitgefühl ausdrücken. Doch schnell tritt der Oberbürgermeister den Rückzug an. Mit Beschimpfungen wird Buchhorn davongeschickt. Er hatte an einem nahen Platz die Sitzbänke abmontieren lassen, um die Treffen der Gomans einzudämmen.

Quelle: RP Online (mit Video)
Stand: 26.07.2011