Schicksal der Sinti und Roma nicht vergessen

BergstraSe. Mit dem Begriff „Zigeuner“ assoziieren sogar heute noch viele die Vorstellung vom „fahrenden Volk“, von „Gauklern“ und „Gaunern“. Dass die antiziganistischen Klischees und Vorurteile präsent sind, ergab nicht zuletzt eine Erhebung an hessischen Schulen, die der Verband Deutscher Sinti und Roma durchführte. Selbst gut ein Drittel der befragten Lehrer verband mit der Volksgruppe ein nomadenhaftes Leben. Sie wussten nicht einmal um das Schicksal der Gruppe im Zuge der rassistischen Ausrottungspolitik des Nationalsozialismus.
Landrat begrüßt Projekt
„Ihre Geschichte darf nicht vergessen werden“, unterstrich Landrat Matthias Wilkes. Er begrüßte das vom Landesverband initiierte Projekt, für den Unterricht Medienkoffer mit Textdokumenten und Bildmaterial zusammenzustellen. Dabei steht lokale Aspekte im Mittelpunkt. In dem Pool von Materialien kommen auch Zeitzeugen zu Wort und werden Biographien von ehemaligen Mitbürgern rekonstruiert. Zurzeit wird eine Version mit Dokumenten aus den Kreisen Bergstraße, Darmstadt-Dieburg, Groß-Gerau und Odenwald erarbeitet. Autor ist der Politologe Dr. Udo Engbring-Romang.
Eine Medienbox für den Bereich Darmstadt stellte er jetzt beispielhaft zusammen mit Rinaldo Strauß und Josef Behringer vom Landesverband Deutscher Sinti und Roma im Rahmen eines Pressegespräches vor. Ziel ist eine sachkundige Vermittlung von Wissen über die Geschichte und Gegenwart der nationalen Minderheit, um damit antiziganistischen Klischees und Vorurteilen entgegenzutreten.
Die Materialien sind für alle Schulformen konzipiert. Themenschwerpunkte, die im Unterricht herausgegriffen werden können, betreffen die Repressalien, die die heute nach Mitteleuropa einwandernden Sinti erdulden. Ferner werden die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, das Leben zwischen Diskriminierung und Minderheitenschutz im Nachkriegsdeutschland sowie die Praktiken für die Entschädigung nach 1945 dokumentiert. Der Darmstädter Roma Martin Wick erzählt über das Leben und Sterben in Ausschwitz. Hunderttausende Sinti und Roma wurden im Dritten Reich in KZs ums Leben gebracht.
Erstmals 1982 wurde durch Bundeskanzler Helmut Schmidt der Völkermord politisch anerkannt, so dass die Opfer eine Entschädigung für erlittenes Unrecht beanspruchen konnten.
„Mich hat die Fülle der Informationen überzeugt“, meinte Brigitte Paddenberg, Ausländerbeauftragte des Kreises Bergstraße. Sie wies auf die Aktualität des Themas hin, das die Frage nach einem gesellschaftlichen Umgang mit Minderheiten aufwerfe.
Josef Behringer vom Landesverband der Deutschen Sinti und Roma deutete bereits erste Anknüpfungspunkte für eine auf die Bergstraße zugeschnittene Materialsammlung an. In dem von ihm und Anna Mettmann edierten Buch „Ich will doch nur Gerechtigkeit“ zeigt die Sintezza, die Ausschwitz überlebte, ihre Leidensgeschichte auf. Anna Mettbach, gebürtige Kreutz, wurde 1926 in Heppenheim geboren und verbrachte ihre Kindheit in der Kreisstadt.
Die Historiker hoffen auf weiterführende Informationen aus der Bevölkerung. Wer solche zur Verfügung stellen oder Hinweise über die Verfolgung der Sinti und Roma in Südhessen geben kann, sollte sich mit dem Landesverband mit Sitz in 64285 Darmstadt, Annastraße 44, in Verbindung setzen. Telefon: 06151/ 377740, Fax: 06151/3777 50, E-Mail: verband@sinti-roma-hessen.de.
Bergsträßer Anzeiger

Quelle: Morgen Web
Stand: 07.01.2011