Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung Serbiens zum sicheren Herkunftsstaat zweifelhaft

Das Verwaltungsgericht Münster hat in einem Beschluss vom 27. November 2014 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom 31. Oktober 2014 über die Einstufung unter anderem der Republik Serbien als sicherer Herkunftsstaat geäußert. Das Gericht hat dem Eilantrag einer asylsuchenden serbischen Familie stattgegeben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Androhung ihrer Abschiebung angeordnet.

Die Antragsteller sind serbische Staatsangehörige und gehören zur Volksgruppe der Roma. Sie leben jetzt in Münster. Im Juli 2014 beantragten sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Diese Anträge lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Oktober 2014 als offensichtlich unbegründet ab und drohte ihnen die Abschiebung nach Serbien an. Hiergegen erhoben die Antragsteller Klage und beantragten beim Verwaltungsgericht Münster, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Diesem Eilantrag folgte das Gericht nunmehr und führte zur Begründung unter anderem aus: Derzeit sprächen erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidungen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge keinen Bestand haben würden. Die Bescheide beruhten maßgeblich auf der Prämisse, dass den Antragstellern als Zugehörige der Volksgruppe der Roma im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien offensichtlich keine im asylrechtlichen Verfahren relevanten Nachteile drohten. An dieser Einschätzung bestünden ernstliche Zweifel. Serbien sei seit dem am 6. November 2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als Herkunftsstaat und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer vom 31. Oktober 2014 ein sicherer Herkunftsstaat. Es bedürfe jedoch der Klärung im Klageverfahren, ob die Asylanträge der Antragsteller auf dieser gesetzlichen Grundlage als offensichtlich unbegründet abzulehnen seien. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sei offen, ob Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes vom 31. Oktober 2014 bestünden, die eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erforderten. Bei der Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat bestehe die Aufgabe des Gesetzgebers darin, sich anhand der vom Grundgesetz vorgegebenen Prüfkriterien aus einer Vielzahl von einzelnen Faktoren ein Gesamturteil über die für politische Verfolgung bedeutsamen Verhältnisse in dem jeweiligen Staat zu bilden. Nach der im Gesetzentwurf der Bundesregierung (vom 26. Mai 2014, Bundestags-Drucksache 18/1528) gegebenen Begründung für die Bestimmung Serbiens zum sicheren Herkunftsstaat bestehe Klärungsbedarf, ob der Gesetzgeber seiner Aufgabe in vollem Umfang nachgekommen sei. Denn es sei nicht hinreichend erkennbar, welches Gewicht der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung den geänderten serbischen Ausreisebestimmungen und ihrer Anwendung insbesondere auf Volkszugehörige der Roma gegeben habe. Auch ließen die Gesetzesmaterialen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber die Entscheidungspraxis der Verwaltungsgerichte hinreichend berücksichtigt habe. So habe das Verwaltungsgericht Stuttgart in mehreren Fällen den Klagen serbischer Asylsuchender stattgegeben. Auch habe das Verwaltungsgericht Münster in einer Vielzahl von Fällen den Eilanträgen von Roma gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als offensichtlich unbegründet entsprochen.

Der Beschluss ist nach dem Asylverfahrensgesetz unanfechtbar.

Der Beschluss wird in Kürze in der Rechtsprechungsdatenbank www.nrwe.de veröffentlicht.

(Az.: 4 L 867/14.A – rechtskräftig)

Quelle: Justiz Online
Stand: 28.11.2014

Brauner Mob gegen Roma

Nach Aufmärschen in Köln und Hannover: Neonazis und rechte Hooligans rufen zu rassistischer Großdemo in Halle-Silberhöhe auf

Neonazis haben Roma-Familien in Halle (Sachsen-Anhalt) zum Angriffsziel erklärt. Auf der einschlägigen rechten Internetseite »Hallemax« wird zu einem Aufmarsch mit 3.000 geplanten Teilnehmern im südlichen Stadtviertel Silberhöhe aufgerufen. Demonstriert werden soll »gegen die Islamisierung, die Zigeunerplage und den Asylantenwahnsinn« in der Plattenbausiedlung. Zu den Organisatoren gehörten danach auch Mitglieder des rechten Netzwerks »Hooligans gegen Salafisten« (HoGeSa) und »weiterer Organisationen«. Eine Anmeldung lag bis Freitag nicht vor, wie ein Sprecher der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd junge Welt informierte. Continue reading Brauner Mob gegen Roma

Spenden nach Anschlägen auf Fahrzeuge von Roma in Halle-Silberhöhe benötigt

Sehr geehrte Damen und Herren, Liebe Freund_innen,

aufgrund der weiteren Eskalation antiziganistischer Hetze und Angriffe gegen Roma im Stadtteil Silberhöhe in Halle (Saale) bitten wir um Spenden und Unterstützung für die Betroffenen. Bitte verbreiten Sie/Ihr den Spendenaufruf weiter.

Aktuell wird auf einer rechten Internetplattform Hallemax, die seit Monaten gegen Roma und Migrant_innen hetzt, zu einer Demo mit Beteiligung der HoGeSa am 5. Dezember in der Silberhöhe aufgerufen.
http://hallespektrum.de/meldungen/polizeimeldungen/rechtsextreme-internetseite-ruft-zu-hogesa-demo-halle-auf/124149/

Wir werden Sie/Euch über den aktuellen Stand und geplante Gegenaktivitäten informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Antje Arndt
Mobile Opferberatung

*Spendenaufruf*
*Mobile Opferberatung und Bündnis „Halle gegen Rechts“ bitten um praktische Solidarisierung mit den Roma-Familien in der Silberhöhe**
*Seit Juli diesen Jahres nimmt im halleschen Stadtteil Silberhöhe die rassistische und antiziganistische Hetze von Anwohner_innen gegen zugezogene Familien aus Rumänien, die überwiegend der Minderheit der Roma angehören, zu. Ob auf Facebook, auf der Straße oder beim Einkaufen – alltäglich wird den Roma mit rassistischen Beleidigungen, Ablehnung und Vorurteilen begegnet. Es hat sich eine sogenannte Bürgerwehr gegründet, die laut Selbstauskunft für “Ruhe und Ordnung” sorgen will. Ein bereits angekündigter „Rundgang“ im September konnte durch eine Kundgebung, zu der das Bündnis „Halle gegen Rechts“ aufgerufen hatte, verhindert werden. Das Klima der Angst ist jedoch geblieben.
Der rassistischen Hetze folgten Gewalt, Sachbeschädigung und Brandstiftung: Am 11. September wurden eine rumänische Frau und ihr zweijähriger Sohn von Kindern attackiert. Die 10- bis 13- Jährigen bespuckten und beschimpften die Mutter und schlugen dem Zweijährigen mit einem Lineal ins Gesicht. Am 29. Oktober wurde ein zehnjähriges Schwarzes Mädchen auf einem Spielplatz rassistisch beleidigt und von mehreren Kindern derart geschlagen, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Am Abend des 4. November geriet auf einem Parkplatz ein Kleintransporter in Brand, der einem Roma gehört und dort bereits längere Zeit stand. An dem Fahrzeug befanden sich auch ca. zwei Monate alte rassistische Schmierereien. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

Viele Roma haben mittlerweile Angst um ihre Fahrzeuge. Bereits am 1. November, musste ein Mann feststellen, dass sämtliche Scheiben seines Kleintransporters eingeschlagen wurden. „Wir vermuten, dass die Fahrzeuge gezielt angegriffenen wurden, um den Roma zu schaden und sie aus dem Stadtgebiet zu vertreiben“, so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. Der Betroffene des entglasten Transporters – ein junger Familienvater – benötigt diesen dringend für seine berufliche Existenz. Für die Kosten der Sicherstellung durch die Polizei und die Reparatur des Fahrzeugs von insgesamt ca. 1.300 Euro müsste er alleine aufkommen,
was er sich nicht leisten kann. Um das Fahrzeug schnellstmöglich wieder einsatzfähig zu machen, bitten wir um Spenden.

„Die Betroffenen nicht alleine zu lassen und mit praktischer Solidarität zu unterstützen, heißt auch den Tätern und ihren rassistischen Motiven Grenzen zu setzen“, erklärt ein Sprecher des Bündnisses Halle gegen Rechts. Sollten mehr als die zur Behebung des Schadens benötigten Spenden eingehen, werden diese zur Unterstützung weiterer Betroffener rassistischer und antiziganistischer Gewalt in Halle (Saale) und Sachsen-Anhalt genutzt.*

*Spendenkonto Opferfonds:*
Miteinander e.V.
Bank für Sozialwirtschaft Magdeburg
IBAN: DE84 8102 0500 0008 4734 01
SWIFT / BIC: BFSWDE33MAG
Verwendungszweck: Silberhöhe

Über den Eingang Ihrer Spenden erhalten Sie auf Wunsch gerne eine Spendenbescheinigung.
Bei Rückfragen können Sie sich gerne an die Mobile Opferberatung unter der Tel. 0345/2267100 wenden.

Mobile Beratung für Opfer rechter Gewalt
Platanenstr. 9
06114 Halle

Tel.: 0345 / 2 26 71 00
Fax: 0345 / 2 26 71 01
Funk: 0170 / 2 94 84 13, 0175 / 162 27 12 und 0151 / 53 31 88 24

www.mobile-opferberatung.de

[HAL] Chronik Silberhöhe

Hier eine Chronik der Vorkommnisse im halleschen Stadtteil Silberhöhe. Die Artikel sind, wenn nicht anders gekennzeichnet, dem hallespektrum entnommen. Der Punkt zur „Brigade Halle/Saale“ entspringt eigener Recherche. Dieser Beitrag dient der Übersicht und Dokumentation und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Um Ergänzungen wird gebeten.

Antiziganistisches und rassistisches Treiben in der Silberhöhe Halle/Saale.

    Eine Chronik

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Lega-Nord-Politiker fährt Demonstranten nieder

Matteo Salvini wollte Roma-Siedlung besuchen und wurde angegriffen

Rom – Linksradikale Aktivisten haben am Samstag in Bologna das Auto des Vorsitzenden von Italiens rechtspopulistischer Oppositionspartei Lega Nord, Matteo Salvini, kurz vor seinem geplanten Besuch in einer Roma-Siedlung angegriffen. Salvini hatte einen Protest gegen die öffentlichen Finanzierungen angekündigt, die die Gemeinde Bologna der Roma-Siedlung garantiert.

Das Auto des Lega-Vorsitzenden wurde mit Steinen beworfen. Ein Dutzend Demonstranten umringte Salvinis Auto und ging mit Fußtritten und Faustschlägen auf das Auto des EU-Parlamentariers los. Der Fahrer stieg daraufhin aufs Gas und fuhr los, er verletzte dabei einige Demonstranten. „Wenn wir nicht weggefahren wären, hätten man uns ermordet“, verteidigte sich Salvini, der auf Twitter die Fotos seines beschädigten Autos veröffentlichte.

Der Angriff auf Salvini löste heftige Diskussionen aus. Lega Nord-Parlamentarier erklärten sich mit ihrem Vorsitzenden solidarisch. Linksparteien kritisierten dagegen die „rassistische Provokation“ Salvinis mit dem angekündigten Besuch der Roma-Siedlung. Die Lega Nord führt seit Monaten eine Kampagne gegen die von Mitte-links-Parteien geführte Gemeinde Bologna, die nach Angaben der Partei jährlich 130.000 Euro ausgibt, um die Roma-Siedlung mit Gas und Strom zu versorgen.

Der seit Dezember als Lega-Chef amtierende Salvini hat zuletzt zum Großteil auf die föderalistischen Slogans seiner in Norditalien verankerten Partei verzichtet und will mit einer stark ausländerfeindlichen Kampagne Stimmen im Mitte-rechts-Lager erobern. Der 40-jährige Mailänder will ein Mitte-Rechts-Bündnis mit der mitregierenden Rechtspartei um Innenminister Angelino Alfano, Nuovo Centrodestra (NCD), schmieden. Salvini will dabei die oppositionelle Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi, die seit über 20 Jahren Eckpfeiler des Mitte-Rechts-Blocks in Italien ist, nicht einbeziehen.

Quelle: Der Standard
Stand: 08.11.2014

“Gegen Roma”: NPD-nahe Seite kündigt “Sitzblogade” an

Der Betreiber einer NPD-nahen Internetplattform “Halle Max” und nach eigenen Angaben selbst Mitglied der rechtsextremen Partei kündigt auf seiner Internetseite weitere Aktionen gegen die Roma an. “Es ist genug gesprochen worden, jetzt werden Taten folgen.”
Unter anderem kündigt er Demonstrationen im gesamten Stadtgebiet durch die “Bürgerinitiativen gegen die Zigeuner Heimsuchung” an. Auch seien Sitzblockaden geplant – oder wie er selbst im besten Deutsch schreibt: “Sitzblogaden an sensiblen Verkehrspunkten”. Auch Teilnahmen an Hooligan-Demonstrationen der HoGeSa und die Bestreifung der Silberhöhe durch Mitglieder der Initiativen kündigt er an.

Bereits in den vergangenen Tagen bezeichnete er Migranten als “Subjekte”, zeigte Verständnis für die Brandstiftung an einem Auto der auf der Silberhöhe lebenden Roma. “Die Verantwortlichen für die Heimsuchung der Zigeunerplage sollten schnellstens Ihre Politik des Totschweigens überdenken. Denn wenn diese Verschleierungstaktik weiterhin die Bürger dieser Stadt verdummen soll, ist mit weiteren Aktionen dieser Art, zu rechnen”, schrieb er beispielsweise.

Quelle: Halle Spektrum
Stand: 07.11.2014

Roma-Diskriminierung in der Deutscher Botschaft in Kosova und auf kosovarischen Ämtern

Mauern für Roma in Kosova

Jedes Jahr werden ca. 500 Menschen nach Kosova abgeschoben, fast alle sind Roma bzw. Ashkali.
Ergin Alija ist ein Rom, der zusammen mit seiner Familie nach dem Kosovokrieg aus Prishtinë nach Deutschland geflüchtet ist. Im Jahr 2010 wurde er im Alter von 18 Jahren nach Kosova abgeschoben und hinterließ in Deutschland seine restliche Familie, u.a. die schwerkranke Mutter von ihm. Sie ist auf Grund eines Arbeitsunfalls, welchen sie in Deutschland erlitt, querschnittsgelähmt und dauerhaft auf ihre familiäre Lebenshilfe in der Erledigung ihrer täglichen Aufgaben und Angelegenheiten, wie auch im pflegerischen Bereich angewiesen, die sich nur in Deutschland erbringen lässt. Die besondere Betreuungsbedürftigkeit stellt auch den humanitären Grund für ihre Aufenthaltserlaubnis dar, weil im Herkunftsstaat die notwendige klinische Versorgung in prekären Verhältnissen nicht gewährleistet ist. Da sie somit vom alltäglichen Gesellschaftsleben ausgeschlossen ist und zu jeder Tageszeit betreut werden muss, ist eine Pflege ihres Sohnes Ergin notwendig geworden. Insbesondere hat die jahrelange Trennung von ihrem Sohn zu starken Depressionen bei ihr geführt. Da sie aufgrund der Fesselung an den Rollstuhl ihren Sohn nicht in Kosova besuchen kann, ist lediglich ein Besuch von Ergin Alija in Deutschland möglich, was ihm aber über Jahre durch die Einreisesperre (welche inzwischen abgelaufen ist) verwehrt wurde. Aus diesem Grund hat sich der Verein Verantwortung für Flüchtlinge e.V. dazu entschlossen, Ergin Alija und seiner Frau Ardita Alija dabei zu helfen, ein Visum zum Familiennachzug in Härtefällen im Konsulat der deutschen Botschaft in Prishtinë zu beantragen. Leider ist eine Terminvereinbarung bei der Deutschen Botschaft in Pristinë zur Visabeschaffung nur online möglich. Bereits im September waren angeblich alle Termine im Jahr 2014 ausgebucht. Die nächste freie Zeit hätte man erst am 6. Januar 2015. Aus diesem Grund haben Mitglieder des oben genannten Vereins damals tagelang versucht, die Konsularabteilung telefonisch zu ihren Sprechzeiten (offiziell Mo – Do von 15:00 bis 16:45 Uhr) zu erreichen. Nachdem stets um 15 Uhr es auch klingelte, aber niemand an den Hörer gegangen ist, war ab einer Minute später die ganze Zeit bis 16:45 Uhr das Telefon besetzt. Jeden Tag. Unter der Nummer +38138254577 kann man laut Website der Deutschen Botschaft in Kosova Fragen zur Visaerteilung stellen. Der Vorsitzende des Vereins, Ricky Burzlaff, hat es dann mit geänderten Nummern versucht (letzte Ziffer 6 bzw. 8 statt 7), wo aber stets die gleiche Dame der Botschaft an das Telefon ging und sagte, dass es nicht möglich wäre, Aussagen zum Visum zu treffen oder gar ihn mit jemanden in dieser Angelegenheit kompetenten Person zu verbinden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit versuchte das Konsulat bereits seit Wochen Visaanträge jeglicher Art abzublocken und vergibt dahingehend auch keine Termine mehr. Schließlich gelang es dem Verein nach einer kritischen Veröffentlichung dieses Missstandes in der kosovarischen Internetzeitung www.kosova-aktuell.de dennoch, über einen E-Mail-Vekehr mit dem Chef der Visastelle, Herrn Frank Radtke, einen Termin im Konsulat am 4. November 2014 um 11 Uhr zu bekommen.

Für die Beschaffung eines Visums sind viele Dokumente auf verschiedenen Behörden einzuholen. Am 31. Oktober heiraten Ergin und die schwangere Ardita Alija auf dem Standesamt in der Kommunalverwaltung der Stadt Fushë Kosovë. Nachdem 14:10 Uhr die Prozedur vorbei war, wollte das frisch gebackene Ehepaar zusammen mit Herrn Burzlaff die auf dieser Behörde zu beantragenden Dokumente (neben Heiratsurkunde auch Geburtsurkunde und Familienzertifikat) mitnehmen. Man bat die drei Personen jedoch, wieder hinten in der Schlange auf der Behörde anzustellen. Um 14:40 Uhr waren sie dann wieder dran, jedoch verweigerte man die Erteilung der restlichen Dokumente mit dem Hinweis, dass die Behörde geschlossen sei, obwohl an der Tür klar die Öffnungszeit bis 15 Uhr angezeigt wurde. In der darauf folgenden Diskussion zeigten einige Mitarbeiter wie bereits in der Vergangenheit eine besondere Aggressivität gegenüber Roma auf. Dies wurde daran deutlich, dass dieses Verhalten nur dem Roma-Ehepaar entgegengebracht wurde und nicht den anderen anwesenden Personen auf der Behörde. Am Montagmorgen haben die drei die erforderlichen Dokumente mit viel Druck und gegen hohe Gebühren endlich bekommen, um sie in Prishtinë im Innenministerium überbeglaubigen lassen zu können. Nachdem die Mitarbeiterin am Schalter gesehen hat, dass es sich um Roma handelt, wurden Ergin und Ardita Alija sofort weggeschickt mit dem Verweis, erst am nächsten Tag wiederzukommen. Nach einer deutlichen Intervention des Vereinsvorsitzenden Ricky Burzlaff mit dem klaren Hinweis, dass er die beiden als Besitand vertritt und man am Vormittag des darauffolgenden Tages bereits den Termin im Konsulat der Deutschen Botschaft hat, kam das kosovarische Innenministerium endlich seiner Pflicht und gab uns die entsprechenden Apostillen gegen erneut hohe Gebühren. Nachdem auch Passbilder erworben wurden und alle anderen vielen Dokumente ausgefüllt und unterschrieben wurden, begaben sich am Dienstag, den 4. November, Ergin und Ardita Alija in Begleitung von Ricky Burzlaff zur Deutschen Botschaft. Obwohl Herr Burzlaff (deutscher Staatsbürger) eine Vollmacht der Mutter von Ergin besaß und somit befugt war, ihre Interessen auf der Deutschen Botschaft zu vertreten, und in Funktion als Beistand für Ergin und seiner Frau Ardita Alija anwesend war, wurde ihm auch nach mehrmaligen Bitten und Nachfragen der Zutritt in das Konsulat verwehrt. Es darf nicht sein, dass die Deutsche Botschaft einem deutschen Staatsbürger, einem Vertreter einer deutschen NGO sowie einem Bürger- und Menschenrechtler, der wegen diesem Fall und nach Terminabsprache mit der Deutschen Botschaft nach Kosova geflogen ist, der Zutritt zur Botschaft und damit auch der rechtlich erlaubte Behördengang auf deutschem Hohheitsgebiet verweigert wird. Was sich aber dann im Konsulat abspielte, gleicht einem schlechten Film. Weil einige Dokumente nicht zweifach kopiert wurden, musste das Roma-Ehepaar das Konsulat verlassen und sollte nach der Beschaffung der Kopien sich wieder hinten in der Schlange anstellen. Als dies geschehen ist, verweigerte man denen den Zugang zur Konsularabteilung mit der Begründung, es sei angeblich Mittagszeit und sie sollen in 75 Minuten wiederkommen. Auch nach Ablauf dieser Zeit gab es erhebliche Probleme beim Einlass, da der dafür zuständige Botschaftsmitarbeiter erneut den beiden den Zugang verwehrt hat. Nach einigen Diskussionen durften sie letztendlich doch das Konsulat betreten. Am Schalter wurden Ergin und Ardita Alija mit einer aggressiven und teils romafeindlichen Stimmung konfrontiert. Sie wurden teilweise grundlos angebrüllt und ihnen wurden verschiedene Vorwürfe gemacht, z.B. dass die Begründung des Härtefalls angeblich zu kurz sei. In Wirklichkeit ist letztere treffend und ausreichend formuliert worden und damit ist es skandalös, dass die Botschaft Quantität über Qualität einer Begründung stellt. Einen sachlichen Bezug zur Kritik der Härtefallbegründung gab es nicht. Ebenso teilte man dem Ehepaar mit Absicht fälschlicherweise mit, dass sie zu jung für eine Familiennachführung seien. Jeder, der sich mit diesen Themen auskennt weiß, dass in diesem Fall die Botschaft böswillig und romafeindlich gehandelt hat. Eine Altersregelung für eine Familiennachführung in Härtefällen existiert nicht. Desweiteren wurde unmissverständlich gesagt, dass „Ergin und Ardita Alija es sich abschminken können, dieses Jahr ein Visum zu bekommen“. Diese Aussage einer Mitarbeiterin der Deutschen Botschaft stellt einen klaren Fall der Diskriminierung dar. Der Verein Verantwortung für Flüchtlinge e.V. fordert deshalb alle zuständigen Behörden und insbesondere den deutschen Außenminister, Frank Walter Steinmeier, als Chef der Deutschen Botschaften auf, dafür zu sorgen, dass diese Drohung nicht Realität wird und das Ehepaar noch in diesem Jahr vor Weihnachten das ersehnte Visum bekommt. 25 Jahre nach dem Mauerfall werden in Europa auch durch die Bundesrepublik Deutschland Mauern gebaut, die die Freiheit und Rechte vieler Menschen, insbesondere aber Roma, deutlich einschränken. Jede Romafamilie in Kosova kann sich den bürokratischen, zeitlichen und finanziellen Aufwand der Visabeschaffung nicht leisten. Das muss sich ändern.

Mit freundlichen Grüßen

Ricky Burzlaff
(Vorsitzender des Vereins Verantwortung für Flüchtlinge e.V.)

Antiziganismus in Rumänien

Rassismus gegen Roma und andere Minderheiten findet sich auch heute in allen Schichten der rumänischen Gesellschaft, nicht nur am rechten Rand. Institutioneller Rassismus bei Behörden, Justiz oder Polizei ist die Regel und nicht die Ausnahme. So wurden im September 1993 im siebenbürgischen Dorf Hadareni unter polizeilicher Duldung drei Roma gelyncht und dreizehn Häuser von Roma in Brand gesteckt. Die Aufklärung des Pogroms wurde anschließend behindert. Michael Lausberg beleuchtet die historische Kontinuität in der Diskriminierung von Roma in Rumänien.

Neben den sehr schlechten wirtschaftlichen Perspektiven ist der offene manifeste Rassismus gegen Roma für deren Emigration, vor allem nach Westeuropa, verantwortlich. Rassismus gegen Roma und andere Minderheiten findet sich in allen Schichten der Gesellschaft, nicht nur am rechten Rand. Institutioneller Rassismus bei Behörden, Justiz oder Polizei ist die Regel und nicht die Ausnahme. Besonders in Teilen der Polizei existieren rassistische Praxen gegen Roma oder andere Minderheiten. Sie reichen von selektiven Kontrollen, körperlicher und psychischer Gewalt bis hin zu Morddrohung und Folter. Jan Adam geht bei „Endstation Rechts“ sogar von staatlichem Rassismus aus: „Teile des Staatsapparates, insbesondere des Geheimdienstes, sind in rechtsextreme Netzwerken involviert. Der Staat selbst betreibt eine teilweise rassistische Politik gegenüber den Roma und der ungarischen Minderheit.“

Verbrechen während der NS-Zeit bis heute verleugnet

Die mit dem nationalsozialistischen Regime verbündete faschistische Militärregierung unter Ion Antonescu (1940-1944) sorgte für das dunkelste Kapitel der rumänischen Romapolitik. Mindestens 25.000 Roma wurden nach Transnistrien deportiert, wo ca. die Hälfte an Krankheiten, Unterernährung oder fehlender medizinischer Versorgung starben. Diese Verbrechen unter dem faschistischen Regime werden heute noch verleugnet, verharmlost und sogar glorifiziert. Eine gründliche Aufarbeitung steht trotz voranschreitender Bemühungen noch aus, es gibt noch keine offizielle Anerkennung für die Opfer von Antonescus Schreckensherrschaft. Nach der Etablierung des Kapitalismus wurden Straßen und Plätze nach Antonescu benannt und ihm Denkmäler gesetzt. Eine Umfrage im Jahre 1995 ergab, dass 62% der Befragten ein positives Bild von Antonescu hatten und ihn als historische Leitfigur anerkannten. Im Jahre 1999 ehrte das rumänische Parlament parteiübergreifend Antonescu in einer Feierstunde.

Roma: Von der Kategorie „Rumän*in“ ausgeschlossen

In den rumänischen Gebieten Moldau und Walachei hatten bis 1855/56 die Roma den Status als Sklav_innen und Leibeigene inne. Ihre jeweiligen „Besitzer_innen“, darunter auch die rumänisch-orthodoxe Kirche, betrachteten Roma als „minderwertig“ und beuteten ihre Arbeitskraft ungehemmt aus. Diese verinnerlichte „Minderwertigkeit“ der Roma wirkt im 21. Jahrhundert innerhalb der Mehrheitsgesellschaft unhinterfragt immer noch nach. A.K. Pfeifer bilanziert: „Oft werden Roma als das ‚Andere‘ kategorisiert, von der Kategorie ‚Rumäne‘ werden sie per se ausgeschlossen, (…) um sie als Fremde, als Nichtmitbürger, als Andere abzustempeln. Der in Rumänien herrschende vorurteilsbeladene und diskriminierende Diskurs gegen Roma kommt nicht nur von politischen Extremisten, sondern aus dem gesamten politischen und gesellschaftlichen Spektrum.“ Der Dichter und Sprecher des Literaturmuseums, Calin Cuibotari, erklärte: „Ich, Rumäne in meinem Land – ohne Extremist oder Nationalist zu sein – darf meine Wut gegenüber einer Minderheit nicht herausschreien, die uns durch ihren Lebensstil in ganz Europa und anderswo beschämt, unsere Städte infiziert, uns mit dem schrecklichen Mangel an Zivilisation trübt und uns zu jeder Stunde, in jedem Augenblick zeigt, dass Darwin Recht hatte.“

Sündenböcke für das Ceaucescu-Regime

Vor allem in den ersten Jahren nach dem Sturz Ceaucescus 1989 wurden Roma als „Agenten“ des Regimes und der Securitate diffamiert. Ein Fall von institutionellem Rassismus machte international Schlagzeilen. Im September 1993 waren in dem siebenbürgischen Dorf Hadareni mit polizeilicher Duldung drei Roma gelyncht und dreizehn Häuser von Roma in Brand gesteckt worden. Die Strafanzeigen der Roma wurden jahrelang nicht bearbeitet und somit die Aufklärungsarbeit erschwert. Auch mit internationaler Hilfe wurde der Fall im Jahre 2005 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt. Dieser verurteilte den rumänischen Staat, weil er „Lynchjustiz gegen Roma Vorschub leistete“, zur Zahlung von 238.000 Euro Schmerzensgeld an die betroffenen Roma. Auch der unhinterfragte Mythos, dass Ceaucescu „Zigeuner“ war, ist Teil der Hetze gegen die Minderheit. Die Verweigerung des Zutritts in Kinos, Gaststätten oder Diskotheken für Roma oder als Roma identifizierte Personen ist weit verbreitet.

Forderungen nach Zwangsarbeit und Deportation

Laut einer statistischen Erhebung aus dem Jahre 2001 ordnet die weiße Mehrheitsbevölkerung den Roma vor allem die Eigenschaften dreckig (50%), diebisch (44%), faul (38%), zerstritten (24%), rückständig (22%) und nachlässig (12%) zu. Forderungen wie Zwangsarbeit für „kriminelle“ und „arbeitsscheue“ Roma sind in der Dominanzgesellschaft weit verbreitet. Nach dem Vorbild der Apartheid in Südafrika wird die Errichtung von „Reservaten“ plädiert. Im Jahre 2001 waren 36% der Mehrheitsbevölkerung der Meinung, dass Roma am besten am Rande der Gesellschaft leben sollten. Die Segregation von der Mehrheitsgesellschaft wird mit angeblichen kulturellen Eigenschaften der Roma begründet, die unvereinbar mit der der weißen Mehrheitsgesellschaft wären. Die Hälfte der befragten Personen sprach sich für eine obligatorische, staatlich kontrollierte Geburtenbeschränkung aus.

Der damalige rumänische Außenminister Adrian Cioroianu schlug im November 2007 vor, ein Teil der ägyptischen Wüste zu erwerben und alle kriminellen rumänischen Roma dorthin zu deportieren. Im Anschluss an diese Deportationsphantasien spendete ein großer Teil der Bevölkerung Beifall, Proteste zeigten sich selten.

Kampagne: „tigani“ statt „roma“

Im Jahre sprach 2009 sich eine Kampagne für ein Gesetz zur Wiedereinführung der Bezeichnung „țigani“ („Zigeuner“) und zur Beseitigung von „roma“ aus. Im Ausland bestünde eine Verwechslungsgefahr zwischen den Begriffen „Roma“ und „Romani“ („Rumäne“), die dem Ansehen der Rumän_innen in der Welt angeblich einen ungeheuren Schaden zufüge. Ausgangspunkt der jüngsten Umbenennungskampagne waren einige kriminelle Aktivitäten in Italien, in die rumänische Staatsbürger_innen verwickelt waren, die angeblich der Minderheit der Roma angehören. Diese Kampagne fand nicht nur in weiten Teilen der rumänischen Mehrheitsbevölkerung Zustimmung, sondern auch in höchsten Kreisen der Politik. Der damalige rumänische Präsident Traian Basescu bezeichnete die Änderung der Bezeichnung „Zigeuner“ in „Roma“ als „großen politischen Fehler“. Internationale Antidiskriminierungsinstitutionen und nationalen Minderheitenorganisationen sowie ein Teil der rumänischen Politik und Gesellschaft kritisierten die Kampagne und deren Protagonist_innen scharf. Dies führte letztlich dazu, dass der rumänische Senat die offizielle Umbenennung in „țigani“ 2011 ablehnte.

Quelle: Netz gegen Nazis
Stand: 04.011.2014