Antiziganistischer Stinkstiefel für den November 2012

Der Antizig-Watchblog verleiht seit dem Dezember 2011 im monatlichen Turnus die Negativ-Auszeichnung „Antiziganistischer Stinkstiefel“. Diese Auszeichnung geht an Personen des öffentlichen Lebens, Organisationen oder andere Institutionen, die sich öffentlich besonders antiziganistisch geäußert haben oder ein antiziganistisches Klischee bedient haben.
Für den November 2012 geht diese Auszeichnung an Peter Nowack, SPD-Mitglied und Bremer Ortsamtsleiter.
Dieser wird von der BILD wie folgt zitiert:

Die Methode Zuckerbrot und Peitsche klappt nicht mehr. Sagt ihnen, das Zuckerbrot ist alle. Ich habe die Nase voll davon, dass sich einige Großfamilien, meist Roma, fast alles vom Staat bezahlen lassen, aber die Straße als rechtsfreien Raum betrachten. Auch sie müssen Disziplin üben, Regeln und Gesetze einhalten. Wer es nicht tut, darf nicht länger verhätschelt werden.

BILD hofiert SPD-Law&Order-Mann
Laut BILD fordert Peter Nowack „jetzt rigoroses Durchgreifen von Politik und Behörden.“ und die Abstrafung auch der Eltern von Straftäter_innen, also eine Art von Sippenhaft: „Denn wenn ein Jugendlicher wie er mehr als 100 Straftaten begeht, haben auch Mutter und Vater versagt.“
Die BILD spendet dem Law&Order-Politiker Beifall: „Der Sozialdemokrat spricht als erster Tacheles.“

* Astrid Sievert: Der erste Ortsamtsleiter (SPD) redet Klartext Schiebt die Intensivtäter ab und die Eltern gleich mit, BILD, http://www.bild.de/regional/bremen/straftaten/intensivtaeter-gewalt-auslaender-26958242.bild.html

Mahnmal? Roma Abschiebung – Protest dagegen!

Protest am Flughafen gegen Roma-Sammelabschiebung. Die Behörden hatten es eilig und haben die Abschiebung von heute Di 13.11. auf den Do 08.11. vorverlegt oder zusätzlich gelegt.

Kurz nach der Einweihung des Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma und einen Tag vor dem Gedenken der Progromnacht. Zynischer geht es nicht. Die Hetze gegen Roma vor allem aus Serbien und Mazedonien läuft weiter, beschleunigte Asylverfahren und massenweise Abschiebungen. Die politische und soziale Situation der Menschen spielt dabei keine Rolle. Nicht nur Frankreich, nein auch und gerade Deutschland schiebt massenweise Roma ab, in Elend und in rassistische Verfolgung. Dagegen gab es Protest am Flughafen Düsseldorf. Und auch am kommenden Donnerstag 15.11. wird es Protest geben, in Stuttgart, wenn eine Frontexmaschine in den Kosovo abschiebt.

Der Flughafen scheint menschenleer. Die Urlaubszeit ist vorbei. Nur vereinzelte Fluggäste mit Koffern stehen am Check-in Schalter oder laufen durch die Halle. 10 Uhr. Einige Aktivist*innen versammeln sich, entrollen ein Transparent und rufen Parolen. Ein großes Mobile von aufblasbaren Airberlin Flugzeugen wird ausgepackt, versehen mit Aufklebern wie „Air Berlin schiebt“ „Bleiberecht für alle“. Ein bemalter Koffer mahnt „Stop Deportation“.

Die Stimmung ist ein wenig gedrückt, aber nicht entmutigt. Fast scheint der Flughafen ein Spiegel der Gesellschaft. Wen interessiert es, dass hier vor ein paar Tagen, vielleicht in diesen Minuten, vielleicht an jedem Tag Menschen aus ihrer Umgebung gerissen werden, von der Polizei abgeholt und gewaltsam außer Landes gebracht werden. Abschiebungen von Roma nach Serbien bedeutet für die Betroffenen ein Leben in Slums, in einer Gesellschaft, die sie rassistisch verfolgt, bis hin zu Progromen gegen sie. Dem deutschen Staat ist das egal. Das Mahnmal für die Ermordung von Sinti und Roma ist eingeweiht, große Krokodilstränen vergossen, alles Geschichte, Vergangenheit. Von Verantwortungsübernahme, auch in der Gegenwart keine Spur. Roma werden weiterhin verfolgt und abgeschoben, statt einem generellen Aufenthaltsrecht.

Die Zahl der Aktivist*innen ist auf knapp 30 angewachsen, die Stimmung wird dynamischer. Es wird durch die Abflughalle gelaufen, Reden gehalten und Parolen gerufen, Flugblätter verteilt. Diesmal gibt es zwar nur wenige Reisende, die den Protest mitbekommen, doch wichtig scheint das permante Mahnen dessen was hier passiert. Neben den üblichen rassistischen Bemerkungen gibt es viele Menschen, die sich informieren möchten, die die Flugblätter gerne nehmen, zum Teil wird sich bei den Aktivist*innen bedankt.

Die Polizei ist anwesend, hält sich aber zurück.
Nach ca. 1 1/2 Stunden wird die Demo beendet.

Doch der Kampf geht weiter. Schon am Donnerstag steht die nächste Frontex-Sammelabschiebung an. Eine Abschiebung in den Kosovo, vom Flughafen Stuttgart aus. Auch hier wurden Proteste von einem Bündinis angkündigt.

Flughafen Stuttgart
Am 15. November, 8 Uhr in der Abflughalle Terminal 1

Und am 5. Dezember heißt es wieder: Widerstand gegen die Inneministerkonferenz IMK. Diesmal in Rostock.
Das Roma Bündins alle bleiben! ruft zu Protesten und Solidarität auf
„Lass mich nicht fliegen! alle bleiben!
Zeigt eure Solidarität mit unseren Protesten in Rostock!“

Es reicht!
Abschiebung stoppen!
Kein Mensch ist illegal.

Tragt euch in den Alarmverteiler ein, informiert euch, werdet aktiv.
Mail an: abschiebestop [at] riseup.net
Betreff: Alarmliste

Quelle: Indymedia Linksunten
Stand: 13.11.2012

Sozi auf Abwegen

Von der Forderung eines Bremer SPD-Ortsamtsleiters, einen jungen Straftäter mitsamt seinen Eltern abzuschieben, distanzieren sich die Genossen nur zögerlich

Dass die Forderung nach Sippenhaft nicht zum Programm der SPD gehört, müssen dieser Tage SPD-GenossInnen in Bremen beteuern. Denn der Ortsamtsleiter des Bremer Stadtteils Blumenthal, Peter Nowack, spukt mit der Forderung durch Lokalzeitungen, einen 15-Jährigen „Intensivtäter“ mitsamt seinen Eltern abschieben zu wollen. Nowack ist Sozialdemokrat, auf die Idee mit der Abschiebung kommt er, weil die Familie des Jungen nicht aus der EU stammt. Auf rechten Webseiten bekommt er dafür ebenso Beifall wie von manchem Sozialdemokraten.

Die Äußerungen des Ortsamtsleiters Nowack stehen im Zusammenhang mit einem Wohnkomplex in der George-Albrecht-Straße in Blumenthal. Die gilt als Gefahrenort, als ein „sozialer Brennpunkt“ mit viel Kriminalität. Viele MigrantInnen leben dort, viele Roma und Albaner, ohne sicheren Aufenthaltsstatus. Die Wohnungen würden von der Immobilienfirma vernachlässigt, die Menschen dort ghettoisiert, kritisieren Flüchtlingsaktivisten. Im Juli nun kam es zu einer Gewalttat gegen eine 89-jährige Anwohnerin. Ein 15-jähriger, mehrfach verurteilter Roma wird verdächtigt, die alte Frau brutal verletzt und überfallen zu haben, er sitzt in Untersuchungshaft. Im Oktober später verhinderte die Polizei nur knapp eine Massenschlägerei.

Anlass für Ortsamtsleiter Nowack, härteres Durchgreifen zu fordern. Er wolle einen „Trouble Shooter“, der bei „Zuckerbrot und Peitsche“ auch einmal sage, dass „das Zuckerbrot nun alle“ sei, wird er von einer Lokalzeitung zitiert. Und er forderte, den 15-Jährigen zu verurteilen und zusammen mit seinen Eltern abzuschieben. Continue reading Sozi auf Abwegen

Blumenthal außer Rand und Band

Ortsamtsleiter Peter Nowack fordert Sippenhaft für Roma-Familie und steht deshalb in der Kritik. Die hält er für fies. Unterstützung bekommt vor allem von seinen Blumenthaler SPD-Genossen

Wegen der Forderung nach Sippenhaft steht Blumenthals Ortsamtsleiter Peter Nowack (SPD) in der Kritik. Die Aussagen stehen im Zusammenhang mit Äußerungen über die George-Albrecht-Straße. In einem Wohnkomplex dort leben viele MigrantInnen, darunter etliche Roma-Familien. Mitte Oktober wäre es beinahe zu einer Massenschlägerei gekommen. Die Straße gilt bei der Polizei als „Gefahrenort“.

In einem Bericht des Anzeigenblatts BLV forderte Nowack, Bremen müsse „konsequent handeln“. So im Fall eines 15-Jährigen, der verdächtig ist, eine 89-Jährige Frau in Farge überfallen und schwer verletzt zu haben. „Wir in Blumenthal erwarten, dass der Täter verurteilt und anschließend zusammen mit seinen Eltern abgeschoben wird“, wird Nowack von der BLV zitiert. Eine Forderung nach „Sippenhaft“ nennt das die Linkspartei. „Das ist rechtsaußen“, so Kristina Vogt, Linken-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft. Die Zustände in der George-Albrecht-Straße seien heftig, eine Gettoisierung, die Häuser seien in einem schlimmen Zustand. Vor allem lebten dort viele Roma, die noch keinen gesicherten Aufenthaltsstatus haben. Continue reading Blumenthal außer Rand und Band

Slowakische Schule darf Roma-Schüler nicht getrennt unterrichten

Gericht: Verstoß gegen die Gleichbehandlung

Bratislava – Roma-Kinder in der Slowakei dürfen nicht getrennt von anderen Schülern unterrichtet werden. Das entschied ein Berufungsgericht im ostslowakischen Presov, wie Justizsprecher Michal Drimak am Freitag bestätigte. Die Trennung sei ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung, urteilten die Richter.

Eine Grundschule hatte gegen das Verbot der Trennung von Roma und anderen Schülern geklagt. In der Schule werden den Angaben zufolge Roma-Schüler nicht nur in eigenen Klassen unterrichtet, sondern auch auf einem getrennten Gang untergebracht. Die Schulbehörden begründeten das Vorgehen mit „lernschwachen“ Kindern aus Roma-Familien.

Die Schule hat nun bis September 2013 Zeit, die Klassen neu zu ordnen. Laut dem Gerichtssprecher handelt es sich um eine der ersten Entscheidungen dieser Art in der Slowakei. In dem EU-Land leben schätzungsweise eine halbe Million Roma. Die Minderheit beklagt seit Jahren Benachteiligungen und Ausgrenzung.

Quelle: Der Standard
Stand: 02.11.2012

Roma-Power mit Sprechblasen?

Mit „Gipsy“ ist beim Comic-Verlag „Splitter“ eine Comic-Serie 2012 aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt worden, die auch sehr stark die Roma-Minderheit und Antiziganismus zum Inhalt hat. Der Comic stammt von Enrico Martini und Thierry Smolderen und erblickte im Jahr 1996 das Licht der Comic-Welt. Der Zeichen-Stil erinnert sehr an die „Akira“-Reihe und beinhaltet auf jeden Fall Manga-Elemente.

Die Geschichte ist in einer nicht allzufernen Zukunft angesiedelt. Die entfesselte Klimakatastrophe hat eine Eiszeit im Norden und eine Hitzewelle im Süden ausgelöst. Es herrscht ein weltweites Flugverbot, so dass vor allem riesige Trucks den Warentransport gewährleisten. Die wichtigste Autobahn ist die C3C, wobei das erste C für „Circumpolar“ steht. Diese „Circumpolar“ führt um die gesamte Nordhalbkugel. Doch in dieser Zukunfts-Version herrschen Konzerne und Landpiraten über diese Straße. Als einzelner, unabhängiger Fahrer hat man es da schwer. Der Hauptprotagonist der Comic-Story, Tsagoi, ist so ein unabhängiger Truck-Fahrer. Er ist Roma und bezeichnet sich selbst abwechselnd als „Roma“, „Zigeuner“ oder „Gipsy“. Auch bei seinen Trucker-KollegInnen hat er diesen Ethno-Spitznamen weg. Er wird häufig als „Zigeuner“ angefeindet, wehrt sich aber jedes Mal heftig.

Die zweite wichtige Figur in diesem Comic ist Oblivia, genannt „Bibi“, die kleine Schwester von Tsagoi. Zwar teilen die beiden Geschwister eine Kindheit in einem Waisenhaus in Osteuropa voller antiziganistischer Anfeindungen, doch trennte sich in der Jugend ihr Weg. Tsaigo wird Trucker und ermöglicht seiner Schwester dadurch finanziell den Aufenthalt in einem Schweizer Internat. Erst als er das Internat seiner Schwester nicht mehr finanzieren kann, finden die Beiden notgedrungen wieder zusammen. Bibi ist anfangs sehr schockiert von ihrem Bruder und dessen rauher Welt. Sie will auch gar keine Romnja sein. Wohingegen ihr Bruder trotz oder gerade wegen aller Anfeindung ein stolzer Rom bzw. Kalderasch ist.

Tsagoi als Roma und Hauptfigur der Geschichte ist durchaus mit Eigenschaften versehen, die sich häufig im Antiziganismus wiederfinden. Er ist ein moderner Nomade der Landstraße, schnell mit dem Messer, flucht kräftig („Ich piss auf den Schatten ihrer Mütter!“) und nicht sonderlich obrigkeitstreu. Trotzdem verfügt er auch über einen rebellischen Charakter und ist eindeutig der Held der Geschichte. Als Kontrastfigur fungiert seine Schwester, die ebenfalls Romnja ist, aber so gar nicht ihrem Bruder ähnelt. Immerhin wird dadurch vermittelt, dass es kein natürliches Wesen der Roma oder dergleichen Unsinn gibt.

„Gipsy“ ist ein guter Comic, der viel mit Roma und Antiziganismus zu tun hat. Manches mag dem/der Uneingeweihten nicht auffallen. Etwa wenn Tsagoi flucht: „Beim Schnäuzer von Django Reinhardt!“ (Seite 42) Zur Erklärung: Django Reinhardt ist ein populärer Sinti-Musiker mit eindrucksvollem Schnurrbart.

Etwas anstrengend im Comic ist, dass sich Schwester und Bruder siezen, offenbar um die Distanz zwischen den beiden zu unterstreichen. Außerdem spricht Tsagoi in dritter Person von sich. Zumindest im Deutschen wirkt so etwas albern.
Das der Comic und der Hauptheld „Gipsy“ heißen, mag schwierig sein. Erinnert sei aber daran, dass diffamierte Minderheiten manchmal ihre Schimpfwörter in positive und stolze Eigenbezeichnungen umwandeln und dadurch ihren Feinden das Schmähwort klauen. Geschehen ist das beispielsweise im deutschsprachigen Raum bei der MigrantInnen-Gruppe „Kanack-Attack“.