Pro Köln hetzt mal wieder gegen Roma

Die rechtspopulistische Wählervereinigung „Pro Köln“ hetzt in ihrem Beitrag „Bayenthal: Mobile ethnische Minderheit für Müllproblem verantwortlich?“ vom 07.07.2011 gegen Roma.
Pro Köln berichtet auf seiner Homepage von einem Müllproblem in Bayenthal und merkt an: „Woher der Müll kommt, weiß keiner genau zu sagen.“ Um dann in die Mutmaßung zu verfallen: „Es ist aber auffällig, dass zahlreiche Angehörige einer sogenannten mobilen ethnischen Minderheit, die früher einmal unter dem Namen „Zigeuner“ bekannt war, an der Marktstraße in Baracken untergebracht sind. Ob hier ein Zusammenhang besteht?“
Hier macht man sich einerseits lustig über die staatliche Neubenennung der Roma-Minderheit als mobile ethnische Minderheit und spekuliert wild über etwas, was man überhaupt nicht weiß. Da aber im antiziganistischen Ressentiment „Zigeuner“ und „Müll“ oder „Schmutz“ gerne miteinander verbunden werden, sind die Schuldigen klar.

Exklusiv-Interview zu der Situation der Roma-Minderheit in Tschechien

Der in Prag lebende Journalist Menschenrechtsaktivist Markus Pape vom „Europäischen Zentrum für Romarechte“ war so freundlich für http://antizig.blogsport.de einige Fragen zur Situation der Roma in Tschechien zu beantworten.

Antizig-Watchblog: Wie groß ist überhaupt die Roma-Minderheit in CZ?

Pape: Es gibt nur Schätzungen, die sich zwischen 150 und 250 tausend Roma bewegen. Bei Volkszählungen bekennen sich nur wenige tausend Bürger zur „Volksgruppe der Roma“, weil sie entweder Nachteile dadurch befürchten oder aber sich in erster Linie als Tschechen oder Slowaken fühlen.

Antizig-Watchblog: Wie ist ihre gesetzliche Stellung und wie ihre soziale?

Pape: Gesetzlich sind die Roma als ethnische Minderheit anerkannt, etwa zwei Drittel der Roma leben nach Schätzungen in Armut. In den Medien werden Roma zumeist nur in Verbindung mit Kriminalität, Armut oder Konflikten erwähnt. Darum weiß niemand, dass Zehntausende von Roma hier einer ordentlichen Arbeit nachgehen.

Antizig-Watchblog: Wie war die Stellung der Roma in der CSSR?

Pape: Dadurch es ein Arbeitspflicht gab, mussten sie beschäftigt werden, zumeist mit schwerer körperlicher Arbeit und mit Arbeiten, die ethnische Tschechen nicht verrichten wollten. Schwere körperliche Arbeit wurde überdurchschnittlich bezahlt und dadurch hatten viele Romafamilien einen relativ guten Lebensstandard. Nach der Wende wurden die meisten Roma entlassen und durch Billigarbeiter aus der Ukraine oder anderen Ländern ersetzt.

Antizig-Watchblog: Gibt es eine Roma-Bürgerrechtsbewegung bzw. – Selbstvertretung? Wie ist sie entstanden und was tut sie?

Pape: Es gibt Fragmente einer Bürgerrechtsbewegung, aber keine politische Selbstvertretung. Am Regierungsamt trifft sich regelmäßig ein Rat für Angelegenheiten der Romakommunität. Seine Mitglieder – zur Hälfte Vertreter von Ministerien, ansonsten Vertreter von NGOs, zum Teil auch Roma – werden von der Regierung ernannt und nicht von Roma selbst gewählt. Zurzeit funktioniert dieser Rat kaum.

Antizig-Watchblog: Gibt es in der politischen Linken Unterstützer und Freunde für die Minderheit?

Pape: Es gibt einzelne Politiker, Aktivisten und Bürgerrechtler quer durch das politische Spektrum, welche die Roma unterstützen. Die Parlamentarische Linke tut dies nur selten und sehr zögerlich. Allein die tschechischen Grünen setzten sich aktiv für die Roma, scheiterten vermutlich auch deswegen aber bei den letzten Parlamentswahlen an der Fünf-Prozent-Hürde.

Antizig-Watchblog: Erhalten Angehörige der Roma-Minderheit, die die Verfolgung unter der nationalsozialistischen Besatzung überlebt haben, so genannte „Entschädigungen“ durch die Bundesrepublik?

Pape: Zwischen der BRD und Tschechien wurde vereinbart, dass die Entschädigungen von tschechischer Seite aus aber mit Mitteln eines gemeinsamen Fonds ausgezahlt werden. Dies wurde nach langwierigen Verhandlungen und auf Druck von Opferverbänden Ende der Neunziger Jahre bilateral beschlossen.

Antizig-Watchblog: Immer wieder wird in den Medien von antiziganistischen Übergriffen durch extreme Rechte berichtet. Wie häufig passiert das und wie reagieren die Mehrheitsbevölkerung und die Behörden darauf?

Pape: Es gab in den letzten Jahren viele antiziganistische Übergriffen von Neonazis. Viele wurden von der Polizei verheimlicht oder nur in Statistiken anonym erwähnt. Die Bevölkerung reagiert eher gleichgültig. Wenn bestimmte Fälle medialisiert werden, kommt es auch zu Beschwerden, dass diese Übergriffe in keinem Verhältnis zur angeblich „großen“ Kriminalität der Roma stehe. Dementsprechend werden sie verharmlost. Eine Ausnahme stellt der Brandanschlag von Vítkov vom 18. April 2009 dar, bei dem ein kaum zweijähriges Mädchen durch schwere Verbrennungen schrecklich entstellt worden ist. Auch dieser Fall ist jedoch mittlerweile fast wieder in Vergessenheit geraten.

Antizig-Watchblog: Wie realistisch sind die Hoffnungen in EU-Bemühungen zur Verbesserungen der Lage der Minderheit?

Pape: Die EU investiert viel Geld in Verbesserungen der Lage der Minderheit, kümmert sich jedoch selten darum, wo diese Gelder versickern. Zumeist erreichen sie nicht die Roma selbst, sondern werden in Berichten, Analysen oder Programmen verpulvert.

Antizig-Watchblog: Wie könnte praktische Solidarität in der Bundesrepublik für Roma in Tschechien aussehen?

Pape: Qualifizierte Berichterstattung, finanzielle Unterstützung von effektiv arbeitenenden Roma-NGOs und aktive Beteiligung an Aktionen gegen Nazis in Tschechien.

Antizig-Watchblog: Wir bedanken uns für das Interview!